Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Bericht euphorisch. „Mensch, ist das klasse. Du wolltest doch immer ein Kind. Super, dass es noch geklappt hat, du bist ja nicht mehr die Jüngste.“ Für Dagmar waren die Prioritäten klar. Verenas Schwangerschaft ging vor, der Job war nachrangig. Für Verena war das nicht so klar, war es doch ihr Beruf gewesen, der ihr in schwierigen Lebensphasen Rückhalt und Sicherheit gegeben hatte.
Ihre Freundin ließ ihren Einwand nicht gelten. „Du spinnst doch. Das ist ein Geschenk des Himmels, sei froh und nimm es an. Du hast genug Verbrecher in deinem Leben zur Strecke gebracht, jetzt geht dein Privatleben vor.“ Sie hat recht, dachte Verena. Soll doch Hetzel den Doppelmörder fassen, er lechzt ja sowieso danach, mich abzulösen.
Dagmar zündete sich eine Zigarette an, um sie nach einem einzigen Zug wieder auszudrücken. „Sorry, ich vergaß. Passives Rauchen ist nicht gut für deinen Nachwuchs. Jürgen wird Luftsprünge machen. Glaub mir, er wird überglücklich sein. Und ich bin es auch. Ich hoffe doch sehr, dass ich Patentante werde. Hoffentlich wird es ein Mädchen. Ich habe mir immer eine Tochter gewünscht. Söhne können verdammt anstrengend sein.“
„Klar wirst du Patentante. Apropos Söhne, wie kommen sie mit der Scheidung klar?“
Dagmar fuchtelte mit den Armen vor ihr herum. „Scheidung? Kannst du vergessen. Wir haben uns wieder versöhnt und wollen es noch einmal miteinander versuchen. Vielleicht war ich auch zu streng mit Achim. Er stand beruflich sehr unter Druck in den letzten Monaten.“
„Und deine Umschulung zur …“
„Habe ich gecancelt“, fiel ihre Freundin ihr ins Wort. „Ich arbeite jetzt ehrenamtlich einen Tag in der Woche in der Seniorenresidenz Altersruh und besuche bettlägerige, demente Senioren. Du glaubst ja nicht, wie viele einsame Alte es in diesem Land gibt. Die Kinder sind in alle Welt verstreut oder haben keine Zeit, ihre betagten Eltern zu besuchen. Eine Freude ist es ja auch nicht. Die Atmosphäre ist verdammt bedrückend! Die vielen alten Menschen, die den ganzen Tag nur herumsitzen, die einzige Abwechslung die Glotze, die den ganzen Tag läuft. Was glaubst du, wie die sich freuen, wenn ich komme.“
Als Verena ihre Freundin verließ, stand ihr Entschluss fest, und sie fragte sich, weshalb ihr überhaupt Zweifel gekommen waren. Von zu Hause aus verständigte sie ihre Assistentin, die geschockt reagierte. „Was? Sie sind krankgeschrieben? Und dann gleich drei Wochen, wie soll es dann weitergehen mit den Ermittlungen? Heute um fünfzehn Uhr ist eine Lagebesprechung angesetzt.“
„Pieper soll sie leiten.“
„Ja, aber … Was haben Sie denn überhaupt?“
„Später“, wehrte Verena ab. Nachdem sie sich eine Stunde auf der Wohnzimmercouch ausgeruht hatte, deckte sie den Tisch. Sie nahm das Rosenthal-Service, das Jürgen von seiner Mutter geerbt hatte, dazu Besteck und Leuchter aus Silber. Zufrieden begutachtete sie ihr Werk. Der stilvolle Rahmen für das bevorstehende Gespräch mit Jürgen war geschaffen. Noch immer war sie in Sorge, wie er reagieren würde. Ein Kind war niemals ein Thema zwischen ihnen gewesen. Als sie ins Polizeipräsidium fahren wollte, um Direktor Hirschmann aufzusuchen, rief Jürgen an. Er gab sich besorgt. „Ich habe es bereits in deinem Büro versucht. Bist du etwa krankgeschrieben?“
„Ja, aber es ist nichts Schlimmes. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich erzähl es dir heute Abend. Tut mir leid, aber ich muss dringend ins Präsidium.“ Bevor er weitere Fragen stellen konnte, beendete sie das Telefonat. Auf der Fahrt in die Innenstadt zeigte sich die Landeshauptstadt von ihrer besten Seite. Inzwischen hatte die Sonne die letzten Wolken vertrieben und der Himmel war strahlend blau. Die Bäume an den Straßenrändern zeigten erste Blätter, in den Vorgärten blühten Forsythien und Kirschbäume, auf den Verkehrsinseln Tulpen in bunten Farben. Wie schön Hannover sein konnte.
Die Dienstreise hatte Hirschmanns Laune gutgetan. Er gab sich jovial. „Kommen Sie etwa wieder wegen dieser ominösen Klinik? Dabei war ich bis zu diesem Moment noch gut gelaunt“, scherzte er und bot ihr einen Stuhl an.
Als sie ihm die Krankmeldung zeigte, reagierte er geschockt. „Drei Wochen krank, ausgerechnet jetzt, mitten in den Ermittlungen? Wer soll Sie ersetzen und die Soko leiten? Was haben Sie überhaupt, Sie sehen ganz munter aus?“
Verenas Antwort stimmte ihn alles andere als fröhlich. Seine Reaktion schwankte zwischen ungläubigem
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