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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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und geschäftsmäßig.
    »Pass auf, du musst mir jetzt gut zuhören, versprichst du mir das? Wir haben nicht mehr viel Zeit, in einer guten Stunde stehen die ersten Gäste vor der Tür. Nicht mal am Sonntag haben wir unsere Ruhe vor ihnen. Und du musst noch …«
    »Ich weiß«, unterbrach sie ihn fast böse, »ich muss noch Schnee schippen!«
    Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben, als Adam seine Ausführungen schließlich beendet hatte. Mit einem Mal war es so düster im Zimmer, dass sie sein Gesicht nicht mehr erkennen konnte. Sie sah nur die Umrisse seines vorgebeugten Oberkörpers, der von heftigen Krämpfen geschüttelt wurde. Von der Anstrengung des langen Sprechens hustete er so stark, dass sie Angst hatte, er bekäme keine Luft mehr. Endlich sank er ermattet in die Kissen zurück.
    »Mach dir keine Sorgen, Hanne!«, flüsterte er, während sie in der Dunkelheit, am ganzen Leib zitternd, in ihre kalten Kleider schlüpfte. »Du bist stark – auch wenn du das bisher selbst noch nicht gemerkt hast. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der deine innere Kraft besitzt. Schon bei unserer ersten Begegnung habe ich das gespürt. Diese Hanne, die braucht eigentlich gar keinen Mann, habe ich da gedacht.« Seine Stimme wurde brüchig, als er nach kurzem Innehalten fortfuhr. »Aber ich habe dich gebraucht, Hanne! Und die Mädchen, sie haben dich auch gebraucht. Und sie brauchen dich immer noch – erst recht, wenn ich nicht mehr da bin. Pass mir nur gut auf sie auf, hörst du, Hanne? Du bist alles, was sie noch haben! Du und das Geschäft.«
    Johanna schloss den letzten Knopf ihres Kleides und trat an das Bett. Die Tränen strömten ihr nun ungehindert über das Gesicht, als sie sich neben Adam kniete. Mit beiden Händen umfasste sie seine Rechte, die sich schmal und kalt unter ihren Fingern anfühlte.
    »Du hast so schöne warme Hände«, murmelte er erschöpft. »Hast du immer gehabt. Und sogar warme Füße, egal wie eisig es draußen ist.«
    »Ich muss gehen, Liebster«, schluchzte sie und stand auf.
    »Ja, du musst gehen«, erwiderte Adam ernst. »Das Geschäft ruft.«
    Sie beugte sich zu ihm hinunter, um ihm einen Kuss auf die feuchte Stirn zu drücken. Sie spürte sein Lächeln mehr, als dass sie es in der Dämmerung sah.
    »Ach, Hanne!«, rief Adam ihr nach, als sie schon auf der Türschwelle stand. »Was ich dir noch sagen wollte: Wenn du mal gar nicht weiterweißt, wende dich an meinen Freund Floriano Francesconi aus Venedig. Ihm gehört dort das erste Kaffeehaus am Platz. Der alte Halunke schuldet mir noch einen Gefallen – und außerdem ist er einer schönen Frau wie dir schon allein aus Prinzip gerne behilflich!«
    Adam hatte plötzlich fast heiter geklungen, regelrecht amüsiert. Doch Johanna hatte keine Zeit mehr, ihn nach diesem seltsamen Freund zu befragen, sie musste dringend hinunter in die Gaststube.
    »Ja, ja, das mache ich, Lieber!« Sie winkte ihm ein letztes Mal zu. »Aber jetzt schlaf endlich, versprochen? Nachher geht es dir bestimmt schon viel besser!«
    Ob Adam ihr die gespielte Munterkeit wohl abgenommen hatte?, fragte sie sich, während sie sich langsam und vorsichtig in dem finsteren Treppenturm die Stufen ins Erdgeschoss hinuntertastete. Sie würde später noch einmal nach ihm schauen, nahm sie sich vor. Später? Plötzlich hatte sie das Gefühl, ihr Herzschlag setzte aus. Würde Adam überhaupt noch leben, wenn sie das nächste Mal in die Schlafkammer kam? Oder wartete dann nur noch sein kalter Leichnam dort oben auf sie?
    Jäh verspürte sie Abscheu vor sich selbst. Was hegte sie da für furchtbare Gedanken? Ihr Mann tot? Aber es nützte ja auch nichts, wenn sie sich etwas vormachte, sagte sie sich dann, sie musste der Wahrheit ins Auge sehen: Es konnte wirklich sein, dass Adam sehr bald starb. Sie würde damit rechnen müssen, dass jedes Mal, wenn sie mit ihm sprach, das letzte Mal gewesen sein könnte.
    Seine Worte kamen ihr wieder in den Sinn. »Du bist stark«, hatte Adam gesagt. Wie war er bloß auf diese Idee gekommen? Sie war doch nur eine einfache Bauerntochter aus Bornheim, die allein durch ihre Heirat mit einem Frankfurter Kaffeehauswirt aus der Leibeigenschaft befreit und zu einer Bürgerin der Freien Reichsstadt geworden war. Doch diese freie Bürgerin war sie nur auf dem Papier. In ihrer Seele war sie noch immer das schüchterne junge Mädchen, das sich stets auf den großen, starken Adam verlassen hatte, auf seine ruhige, zuverlässige Art, seine breiten Schultern, die
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