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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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acht würde sie spätestens den Laden öffnen müssen, bestimmt standen dann schon jede Menge Kirchgänger vor der Tür und verzehrten sich nach einer Tasse Kaffee. Sie konnte die Kunden unmöglich im Tiefschnee warten lassen, nachher legte sich ausgerechnet vor der Coffeemühle noch jemand auf die Nase und brach sich die Knochen – nein, diese Schmach wollte sie sich nicht antun! Sie musste in den sauren Apfel beißen und wie Ludwig Haldersleben schleunigst mit dem Schneeschippen beginnen. Aber zuerst würde sie nach den Kindern schauen. Und ihrem Mann ein paar Wadenwickel machen. Oder die Kräuter noch einmal aufgießen. Wenn sie doch nur wüsste, wie sie Adams Schmerzen ein wenig lindern könnte! Und Schmerzen hatte er, keine Frage. Nicht nur in der Brust. Das war neu; dieser laute, keuchende Husten war erst mit dem Herbst gekommen, mit den feuchtkalten Tagen. Aber das Grimmen im Bauch, das hatte er schon länger. Kein Wunder, dass er so schmal geworden war, er hatte ja auch kaum mehr mit Appetit gegessen, seit dem Frühling nun schon.
    »Hanne? Ich …«
    Der Rest seines Satzes ging in einem Hustenanfall unter. Während Adam Berger die eine Hand auf seine Brust gepresst hielt, um das röchelnde Bellen in einem verzweifelten Versuch zu ersticken, winkte er sie mit der anderen ans Bett heran.
    »Hanne, meine liebe Hanne, wie gerne hätte ich mit dir ein Kind bekommen – weißt du das?«, flüsterte er heiser. Seine Augen glänzten fiebrig. »Aber nun ist es wohl endgültig zu spät …«
    »Was heißt das: ›endgültig zu spät‹?«, empörte sich Johanna.
    Doch sie hörte selbst, wie wenig überzeugend ihre Erwiderung klang.
    »Hanne, du weißt doch, dass ich sterben werde, oder?«
    Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Sie setzte sich neben ihn auf die Bettkante. Ja, sie wusste es, verdammt noch mal, aber doch jetzt noch nicht! Es war viel zu früh. Adam war gerade mal vierzig Jahre alt, da starb man nicht so einfach! Sie zwang sich zu einem Nicken.
    »Es wird nicht mehr lange dauern, verstehst du? Ich fühle den Tod herannahen. Nachts, wenn ich nicht schlafen kann, lausche ich auf seine Schritte. Heute Nacht waren sie besonders nah. Polternd, als würde er geradewegs über den Markt auf unser Haus zustapfen.«
    »Das kann doch gar nicht sein, Adam!« Johanna räusperte sich. »Es hat heute Nacht geschneit, guck mal zum Fenster raus! Alles ist weiß, der Schnee liegt mindestens eine Elle hoch – das dämpft jedes Geräusch ab.«
    »Hanne, das habe ich immer besonders an dir geliebt: deine Zuversicht. Du glaubst immer, dass am Ende doch noch alles gut wird!«
    Er lachte leise. Ein Röcheln entrang sich seiner Brust. Als er wieder bei Atem war, fuhr er fort:
    »Diesen Glauben darfst du nicht verlieren, hörst du? Du musst stark und mutig sein, denn du wirst das Kaffeehaus bald alleine weiterführen müssen, schon sehr bald. Die Coffeemühle ist deine Zukunft – und die der Kinder. Ich werde euch kein Geld vererben können, alles, was ich jemals besessen habe, ist zurück ins Geschäft geflossen. Du musst die Coffeemühle zum ersten Haus am Platz machen, verstehst du? Sonst hast du keine Chance!«
    Wieder zerriss ein Hustenanfall seinen mageren Körper. Er hatte sich aufgesetzt, um besser Luft zu bekommen. Johanna klopfte ihm kräftig auf den Rücken. Das Taschentuch, das sich Adam vor den Mund hielt, war im Nu dunkel gefärbt.
    »Seit wann spuckst du Blut?«, fragte sie erschrocken.
    »Schon länger. Ich habe es dir nur nicht gesagt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte«, schnaufte er. »Ist nicht so schlimm, wird schon wieder …«
    Johanna spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Was hatte Adam eben noch gesagt? Sie würde immer an ein gutes Ende glauben … Diesmal war sie sich da nicht so sicher. Oh, Adam, du darfst mich nicht verlassen!, flehte sie stumm. Wie soll ich ohne dich auskommen? Die Kinder, die Coffeemühle – das ist doch alles viel zu viel für mich alleine …
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, lächelte er ihr zu und drückte ihre Hand. Sein Blick war weich und zärtlich.
    »Du schaffst das schon, mein Mädchen!«, schien er ihr bedeuten zu wollen. »Auch wenn ich bald tot sein werde, geht das Leben für dich weiter. Und alles wird gut, glaube mir!«
    Johanna zwinkerte, um den Tränenschleier von ihren Augen zu entfernen. Sie schniefte leise.
    Adam drückte noch einmal ihre Hand.
    »Hanne, meine liebe, liebe Hanne …«, sagte er nur.
    Dann wurde seine Stimme ernst
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