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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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Hitze zu verringern. Der neue ummauerte Herd mit der Eisenplatte war ihr ganzer Stolz. Die Platte bot genügend Platz, um beliebig viele Kaffeekannen warm zu halten, und mit den Ringen konnte man bequem die Hitze regulieren. Vor lauter Begeisterung über die neue Technik schob sie die unterschiedlich großen Ringe manchmal einfach hin und her, als würde sie ein Spiel spielen. Niemand außer ihr hatte so einen modernen Herd! Und erst der Rauchabzug! Er verhinderte, dass die ganze Stube voller Qualm war. Was bei all ihren Konkurrenten der Fall war. Allerdings hatte das Ganze sie auch ein Vermögen gekostet. Die wenigen Rücklagen, die sie nach Adams Tod durch eisernes Sparen und nächtelanges Arbeiten gebildet hatte, waren allesamt draufgegangen. Sie hängte die Topflappen zurück an ihren Haken und wandte sich wieder dem Geschehen im Raum zu. Eine weitere an Schosch gerichtete Bemerkung verkniff sie sich. Der neue Herd hob jedes Mal aufs Neue ihre Laune.
    Die Kaffeeguckerin nahm nun die umgestülpte Schale von der Untertasse und beugte sich über das kleine Tellerchen, um den darauf verbliebenen Satz besser studieren zu können. Sie ließ sich viel Zeit bei ihrer Untersuchung. Noch immer herrschte bis auf das Klacken der Billardkugeln und das Knistern des Feuers völlige Stille im Raum. Nur ab und zu knackte eines der brennenden Holzscheite laut, oder man hörte den Wind um das Haus pfeifen.
    Viel war auf der Untertasse nicht zu sehen. Ein winziger dunkler Klecks in der Mitte und einige Tropfen Kaffee am Rand.
    Das wäre ja auch noch schöner, ging es Johanna durch den Kopf, wenn in dem Kaffee, den ich serviere, noch viel Satz wäre! Wenn sie und ihre Dienstboten den Kaffee aus dem Topf in die Kannen umschütteten, gaben sie sich schließlich alle Mühe, den Satz nicht mit auszugießen. Das bisschen, das doch in die Kanne gelangte, wurde möglichst nicht mit in die Schale gegossen. Nur weil Schosch von ihnen allen der Unachtsamste war, gab es überhaupt den kleinen Klecks auf der Untertasse. Wie sehr äh nelte er doch seinem Vater, ihrem älteren Bruder Simon! Die gleiche Nonchalance, die gleiche leichtfertige Herangehensweise an die Dinge. Aber das würde sie ihm schon noch abgewöhnen!
    »Ich sähen viele Erfolg. Einä bedeutendä Posten.«
    Voller gespielter Ehrfurcht sah die Kaffeeguckerin auf den pickligen Jüngling vor sich, dessen Gesicht dunkel anlief. Es war ein so tiefes Rot, dass man es selbst in dem winterlichen Halbdunkel in der Gaststube erkennen konnte. Um diese Jahreszeit stieg die Sonne nie hoch genug, um in den großen Hauptraum der Coffeemühle hineinzuleuchten, schon gar nicht am Nachmittag. Der Junge drehte sich Beifall heischend zu seinem Vater um, der an einen Stützpfeiler gelehnt stand und das Geschehen amüsiert verfolgte.
    »Vielä Söhne« , fuhr die Kaffeeguckerin fort. Mit dem kleinen Finger deutete sie auf den Klecks, als gäbe es auf der Untertasse sonst noch etwas zu sehen. »Und das bedeutet: vielä Geld.«
    Johanna reichte es nun. Noch immer ging sie Streitereien und Unstimmigkeiten am liebsten aus dem Weg. Früher hätte Adam so etwas geregelt. Nachdem er gestorben war, hatte sie sich viel zu viel gefallen lassen, aus lauter Angst, irgendwo anzuecken. Aber irgendwann hatte sie gemerkt, dass eine Wirtin es sich einfach nicht leisten konnte, schüchtern zu sein.
    »Bravo! Du wirst ein glückliches Leben haben!«, rief sie laut in die Hände klatschend dem Jungen zu.
    Mit dem Klatschen hatte sie die Gruppe aus ihrer Trance gerissen. Mit schnellen Schritten lief sie zu der Kaffeeguckerin und raunte ihr ins Ohr:
    »Lassen Sie uns erst mal das Geschäftliche regeln, Madame, bevor Sie hier weitermachen!«
    Sie deutete mit der linken Hand auf die Tür zur Vorratskammer, woher man nun lautes Gestampfe hörte. Die rechte Hand legte sie auf die Schulter der Frau.
    »Ich bin noch nicht fertig«, antwortete diese dreist. Jede Spur von Akzent war aus ihrer Sprache gewichen.
    Sie versuchte Johannas Hand abzustreifen und machte keinerlei Anstalten aufzustehen. Stattdessen winkte sie Schosch, als wäre er der Wirt und als wüsste nicht die ganze Stadt, dass Johanna die Besitzerin der Coffeemühle war, ihr eine neue Schale mit Kaffee zu bringen. Doch Schosch reagierte nicht auf ihre Signale.
    Der Jüngling aus der Eifel fummelte nach einem weiteren unsicheren Blick zu seinem Vater in seinem Geldbeutel herum und förderte einige Silberstücke zutage, die er auf den Tisch legte. Doch bevor die
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