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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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hinunter. Mit einer beruhigenden Handbewegung bedeutete ihm die Wahrsagerin, langsamer zu trinken. Niemand redete, alle schauten gebannt auf das Geschehen. Nur die beiden Billardspieler kehrten unbeeindruckt zu dem Tisch im Hinterzimmer zurück.
    »Wo hast du die denn aufgegabelt, Johanna?«, fragte sie einer der beiden, der Sohn eines Hufschmiedes aus der Fahrgasse, im Vorbeigehen.
    Als die ersten Kugeln laut aufeinanderklackten, verzog die Wahrsagerin schmerzhaft das Gesicht, als müsste sie sich besonders anstrengen, um die Verbindung in die Zukunft zu halten.
    Man sah dem Jungen an, dass ihm die ganze Aufmerksamkeit unangenehm war. Als er das leere Gefäß zurück auf die Untertasse stellte, nahm die Frau die Schale und hielt sie mit weit ausgestreckten Armen wie eine Opfergabe in die Höhe.
    »Turuus, tandurum dot schamis teleta tarbus manadoridum. Turuus« , murmelte sie vor sich hin.
    Die exotischen Worte klangen für Johanna wie eine Sprache, die der Fantasie entsprungen war.
    »Dauert einä Momänt. Müssä warten!«
    Die Frau stülpte die Schale auf die Untertasse und starrte gedankenvoll in die Ferne.
    Selbst Ludwig Haldersleben, den Kartenmacher von gegenüber, der bisher in seine Zeitung vertieft gewesen war, hielt es nicht mehr auf seinem Platz an dem kleinen Tisch neben dem Eingang, der immer für Freunde und Familie reserviert war. Mit einem amüsierten Zwinkern in Richtung Johanna schlich er leise, um die Kaffeeguckerin nicht zu stören, zu der Versammlung um den Tisch der Frau hinüber. Ein knarzendes Dielenbrett ließ die Fremde den Kopf hochreißen. Streng, als wäre er ein ungezogenes Kind, sah sie den Kartenmacher an.
    Seit sie erkannt hatte, was die Frau da in ihren Räumlichkeiten trieb, fragte sich Johanna, wie sie sie schnellstmöglich wieder loswerden konnte. Wenn es sich herumsprach, dass in ihrem Kaffeehaus aus dem Satz gelesen wurde, konnte sie in Teufels Küche kommen. Schon andere hatten wegen so etwas ihre Gerechtigkeit verloren, die Schanklizenz, ja waren vor Gericht gestellt worden. Zumindest eine saftige Geldstrafe wäre sicher fällig, und nicht einmal die konnte sie sich zurzeit leisten. Die Frau legte es ja geradezu darauf an, dass man sie für eine Hexe hielt. Auch wenn so etwas heutzutage niemand mehr wirklich für möglich hielt. Aber wenn man die Leute mit der Nase draufstieß, dann glaubten sie eben doch daran. Das hatte sie als Kind selbst oft genug zu spü ren bekommen. Sobald ihre Spielkameraden sich über sie geärgert hatten, hatte es geheißen: »Dich haben sie wohl bei der Hexenverbrennung vergessen!« Und das nur, weil sie rote Haare hatte und ihre Nase etwas zu groß und spitz geraten war …
    Johanna runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Was für eine Scharlatanin! Das Ganze war ein bisschen zu offensichtlich. Warum nur ging die Frau das Risiko ein, im Kerker zu landen und sie, Johanna, gleich mitzunehmen? Und was für eine Frechheit, sich mitten in ihr Lokal zu setzen und einfach seinem Gewerbe nachzugehen, ohne sie um Erlaubnis zu bitten! Schosch hätte sofort einschreiten müssen, war aber wohl wieder nur mit sich selbst beschäftigt gewesen.
    Sie blickte zu ihrem Neffen und Gehilfen hinüber. Seine Unsicherheit überspielte er meistens mit extremer Gelassenheit. Jetzt stand sein Mund offen, er hatte alles um sich herum vollkommen vergessen. Sein Gesichtsausdruck war kindlich und staunend.
    Laut klappernd stellte Johanna ihr Tablett auf dem Küchentisch ab.
    »Willst du, dass ich meine Gerechtigkeit verliere? Warum lässt du so etwas zu?«, holte sie ihren Burschen flüsternd zurück in die Wirklichkeit.
    Er sah sie nur erschrocken an, schüttelte kurz den Kopf und blickte wieder gebannt auf die Wahrsagerin. Dass der Kaffee auf dem Feuer wild im Topf brodelte, schien er gar nicht zu bemerken.
    »Kann ich nicht einmal kurz auf den Hof gehen, ohne dass hier in der Stube was schiefläuft?«, zischte sie wütend in Schoschs Richtung.
    Dieser schien ihre Worte nicht zu hören, so sehr fesselte ihn das Geschehen. Warum musste er der Kaffeeguckerin auch eine Tasse mit Untertasse geben, genau das, was sie für ihr Treiben brauchte?, ärgerte sich Johanna. Alle anderen tranken aus Bechern. Sie musste eigens danach gefragt haben, und Schosch, unerfahren wie er war, hatte die Gefahr nicht erkannt.
    Schnell nahm Johanna zwei dicke Topflappen vom Haken und hob den Messingtopf von den Flammen. Mit dem Eisenhaken schob sie zwei der Herdringe auf das Feuer, um die
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