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PR 2659 – Toufec

PR 2659 – Toufec

Titel: PR 2659 – Toufec
Autoren: Richard Dübell
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Erstes Buch
    Das Auge des Sturms
     
    1.
     
    Gut zwanzig Meilen nordwestlich von Tiamat lief die Handelsstraße, die im Volksmund wegen der hauptsächlich darauf transportierten Güter »Weihrauchstraße« genannt wurde, zwischen zwei zerklüfteten Bergrücken hindurch. Es war der geeignete Ort für einen Überfall.
    Natürlich wusste jeder, dass es der geeignete Ort für einen Überfall war. Vor allem die Karawanenführer wussten es. Deshalb wurde an dieser Stelle so gut wie nie ein Überfall verübt.
    Und deshalb hatte Toufec genau dort einen Überfall geplant – weil niemand damit rechnete und deshalb keiner vorbereitet sein würde. Toufec lag ein Stückchen unterhalb des Felskamms, über den hinweg sie die Straße beobachten konnten. Er gestand sich ein, dass der Gedankengang ein wenig kompliziert war. Aber für unkomplizierte Gedanken waren geringere Geister zuständig. Toufec war keiner davon. Er war der kommende Mann in Tiamat. Und dieser Überfall würde es beweisen!
    »Sie kommen«, flüsterte Asin, als ob man ihn unten auf der Straße hören könnte.
    Toufec grinste zu Asins eifrigem Gesicht nach oben. Asin war Toufecs kleiner Bruder, ein junger Mann an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Er hatte ihn auf eigene Faust mitgenommen, damit der junge Bursche lernte, dass zu einem richtigen Überfall mehr gehörte als rohe Gewalt. Was den Krieger auszeichnete, war List.
    Mit einer Übermacht an Männern über ein paar verängstigte Sklaven und einen fetten Weihrauchhändler herzufallen, nachdem man die Geleitmannschaft aus der Ferne mit Pfeilen erledigt hatte – das konnte jeder. Man musste die Beute elegant überraschen und dabei für die eigene Legende sorgen; indem man sie zum Beispiel dort überfiel, wo kein anderer es wagte.
    »Wie viele sind es?«, rief Toufec nach oben.
    Asin machte Gebrauch von seinen Fingern. »Zehn Kamele, zehn Pferde, zwanzig Esel«, meldete er dann.
    Toufec stutzte. Als die Karawane am Vortag in Tiamat aufgebrochen war, hatte sie aus drei Kamelen, zwei berittenen Wächtern und fünf Eseln bestanden. Es war eine kleine, so offensichtlich unbedeutende Karawane gewesen, dass Toufec sofort klar gewesen war, dass sie etwas besonders Wertvolles transportieren musste. Im Grunde waren alle Güter wertvoll: Salz, Gewürze, Tuche, Trockenobst, Wein ... Aber am wertvollsten war Weihrauch. Der Weihrauchhändler, dessen Karawane Toufec abzufangen plante, hatte sich getäuscht, wenn er dachte, sein simpler Trick würde nicht durchschaut werden.
    Außer dass sich die Karawane plötzlich vergrößert hatte. Zehn Pferde bedeuteten zehn bewaffnete Karawanenwächter, dazu eine größere Anzahl Sklaven und Knechte zu Fuß. Man konnte nicht damit rechnen, dass die alle flohen, sobald der Angriff begann. Besonders, wenn sie merkten, dass die Angreifer nur zu sechst waren.
    Toufec zupfte sich nachdenklich den Bart, der wie üblich so zerrauft aussah, als hätten junge Hunde darin geschlafen. Sollte er seine Pläne aufgeben? Nachdem es ihm nur mit großen Mühen gelungen war, diese Mission überhaupt anführen zu dürfen?
    »Wie viele sind es?«, rief Labaschi nach oben. Labaschi gehörte zu den wertvollsten Kriegern, die Toufec anvertraut worden waren. Sein Kopf war zwar dünner als seine Waden, aber wo Labaschi hinschlug, wuchs keine Palme mehr, und wenn Labaschi sich in Bewegung gesetzt hatte, hielt ihn nur noch eine Felswand auf. Labaschi war so viel wert wie drei normale Männer, außer es wurde von ihm verlangt, dass er nachdachte.
    »Zwei Kamele, ein Wächter und drei Esel!«, rief Toufec nach unten. Er kauerte auf halbem Weg zwischen Asin, dem Ausguck, und den anderen vier Männern am Fuß des Felsens. Asin starrte Toufec überrascht an.
    »Die können doch sowieso nicht zählen«, sagte Toufec und zuckte die Achseln.
    »Bist du sicher, dass wir das tun sollten?«, fragte Asin.
    Toufec kletterte nach oben. »Lass mal sehen.« Er versuchte Genaueres zu erkennen.
    Noch war die Karawane nicht viel mehr als eine Reihe kaum unterscheidbarer bunter Figürchen vor dem strahlenden Ocker der Landschaft. Ihm fiel ein, dass es vor ein paar Tagen geheißen hatte, eine riesige Karawane, die den langen Weg von Ma'rib kam, werde in Tiamat erwartet. Der Anführer der Karawane, hatten die Gerüchte besagt, sei Yazid ben Zair, der gefürchtetste Karwan-Baschi von allen.
    Yazids Spezialität war es, die Karawanenräuber, die er fangen konnte, nackt in der Wüste auszusetzen – an Händen und Füßen am Boden
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