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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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Kaffeeguckerin danach greifen konnte, hatte Johanna schon ihre Hand daraufgelegt und die Silberlinge an sich genommen.
    »Das ist mein Anteil«, flüsterte sie der Fremden ins Ohr. »Wenn du etwas davon abhaben willst, komm endlich mit!«
    Entrüstet blickte die Kaffeeguckerin sich um. Aber als niemand ihr zu Hilfe eilen wollte, entschloss sie sich, Johanna in den Nebenraum zu folgen. Einer ihrer langen Fransenschals verfing sich an einem Holzsplitter, sodass sie am Stuhl hängen blieb und es noch mal dauerte, bis sie sich umständlich befreit hatte.
    Währenddessen hatte sich die kleine Versammlung wieder aufgelöst. Der Kartenmacher war erneut in seine Zeitung versunken, die Würfelspieler waren auf ihren Stammplatz am Ende des langen Tisches, genau vor der Hoftür, zurückgekehrt, an den zugigsten Platz in der ganzen Stube – eine Wahl, über die sich Johanna immer wieder wunderte. Nur der Pulvermühlenbesitzer und sein Sohn schauten ihr und der Kaffeeguckerin gebannt hinterher, als sie die Tür zur Vorratskammer öffnete und schnell die Frau hineinschob, die sich sofort theatralisch die Ohren zuhielt und zugleich gierig den Duft nach frischem Kaffee mit der Nase aufsog.
    Anne und Sybilla hatten beide riesige Holzstößel in der Hand und stießen damit abwechselnd in das große auf dem Boden stehende Steingefäß, um die frisch gerösteten Kaffeebohnen zu zerstampfen. Sie klagten jeden Abend über Schmerzen in Rücken, Schultern und Armen, wehrten sich aber vehement dagegen, dass eine der neumodischen Kaffeemühlen angeschafft wurde. Der in der Mühle zerkleinerte Kaffee schmecke nicht, behaupteten die beiden Mägde. Wenigstens hatte sie sich mit dem neuen Herd durchsetzen können, beglückwünschte sich Johanna bei ihrem Anblick. Ihr Gesinde war hoffnungslos altmodisch, keine Frage.
    Die Mägde hielten mit der Arbeit inne, und Anne fing sofort an, ihren Arm zu massieren, damit ihre Dienstherrin ja mitbekam, welche Strapazen sie auf sich nahm. Sie war eine kleine, äußerst agile Frau, die sich ungeheuer wichtig nahm und Johanna mit ihren Ideen und Kommentaren manchmal regelrecht auf die Palme brachte. Zu allem und jedem hatte sie eine Meinung, und nie konnte sie diese für sich behalten. Es kostete Johanna immer wieder eine ungeheure Kraft, sich gegen die eigene Magd durchzusetzen. Obwohl Anne viel eifriger und schneller wirkte als die behäbige ältere Sybilla, war es doch diese, die den Großteil der Arbeit erledigte, ohne jemals zu murren. Auch jetzt war ihr breitflächiges Gesicht mit dem leichten Schweißfilm vollkommen ausdruckslos. Die Welt bot keine Überraschungen für sie. Die als Hexe verkleidete Frau barg für die Bauerntochter Sybilla keinerlei Geheimnis in sich, nichts, was ihre Neugier geweckt hätte. Zumindest sah man ihr nichts an. Sie hatte den Stößel mit beiden Händen umklammert und auf den Rand des Steingefäßes gestützt.
    »Wie kommst du dazu, einfach ohne mich zu fragen in meinem Haus aus dem Kaffeesatz zu lesen?«
    Johanna bemühte sich um einen strengen Tonfall. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und funkelte die Kaffeeguckerin wütend an.
    Doch die Frau grinste nur frech.
    »Ach, das ist deine Wirtschaft? Das wusste ich gar nicht«, entgegnete sie gelangweilt und ließ ihren Blick durch die dämmerige Vorratskammer schweifen.
    Das war ja mal wieder typisch! Warum nahmen ihr die Leute nie ab, dass sie die Wirtin war? Strahlte sie so wenig Autorität aus? Johanna versuchte ihren Ärger zu unterdrücken. Sie wusste, dass ihre Stimme nur schrill klang, wenn sie laut wurde.
    »Wer bist du überhaupt?«, fragte sie betont sachlich.
    »Das würdest du wohl gerne wissen, was?«
    Die falsche Kaffeeguckerin lachte verächtlich. Mit einem schnellen Schritt zum Ausgang hin wollte sie die Tür zur Gaststube wieder aufstoßen. Sofort krallte Johanna ihr beide Hände in den Arm. Vor Schmerz verzog die Frau das Gesicht.
    »Gib mir mein Geld zurück!«, fauchte sie.
    »Jetzt hör endlich auf mit diesen Spielchen und sag uns, wer du bist und was du hier willst!«
    Johanna riss allmählich der Geduldsfaden. Sie verstärkte ihren Griff um den wabbeligen Oberarm der Frau.
    »Was war denn los?«, fragte Anne neugierig dazwischen.
    Herablassend antwortete ihr die Wahrsagerin:
    »Ich lese die Zukunft aus dem Kaffeesatz, Schätzchen.«
    Wieder versuchte sie sich aus Johannas Umklammerung loszureißen, verhedderte sich jedoch erneut in ihrem Schal.
    »Wenn du willst, sage ich dir, wie dein Leben
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