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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel
Autoren: Karl May
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schleuderte ihr das brennende Licht in das Gesicht und sprang durch die Gartenthür. Ihr höhnisches Lachen erscholl hinter ihm.
    »Besetzt die Gartenthür!« gebot sie dem Schmiede und dem Steuermanne. »Er darf ohne meinen Willen nicht wieder herein.«
    Mit einem Sprunge war sie dem Flüchtlinge nach und in den Hof hinaus. Holmers und Walmy tauchten vor ihr auf.
    »Wo ist er?« frug sie.
    »Durch die Pforte hinaus in das Gärtchen.«
    »Ah, sie hat offen gestanden! Besetzt sie!«
    Sie schnellte hinaus und lauschte. Von der Mauer, gerade oberhalb der Gartenbank erscholl ein Geräusch. Das war dieselbe Stelle, an welcher Kurt die Unterredung zwischen dem Prinzen und den beiden Geißler belauscht hatte, hüben die Steinbank, von welcher aus man die Mauer ersteigen konnte, und drüben die fürchterliche Felsentiefe. Die Angst hatte den Prinzen da hinauf getrieben. Er wollte, auf dem Mauerkranze hinkriechend, den Graben im Sprunge erreichen und so entkommen.
    »Er ist dort hinauf! Er ist verloren, und – ich vielleicht mit ihm,« dachte der Pater. »Schnell, ihm nach!«
    Sie sprang auf die Bank, ergriff die Mauerkante und schwang sich hinauf. Unter ihr gähnte die schwarze Tiefe, aus welcher weit, weit, wie aus der Hölle herauf, die Lichter der Höllenmühle schimmerten. Wie ein Eichhörnchen kroch das Mann gewordene Weib über die wackelnden Quader; da – da sah sie ihn vor sich. Ein Griff, und sie hatte ihn am Fuße. Der Stein, auf welchem sie jetzt lag, hielt fest in seinen Fugen – sie fühlte sich sicher und hielt den Flüchtling mit eisernem Griffe fest.
    »Halt, mein süßer, lieber Hugo! Was eilst Du so?« frug sie mit halblauter Stimme. »Deine Ella ist hier. Setze Dich aufrecht. Wir wollen von Liebe reden, von Liebe, Liebe, Liebe!«
    »Laß mich, Ungeheuer!« stöhnte er, sich festklammernd.
    »Ah, nicht von Liebe? Also von Haß und Rache, von Tod und Hölle? Mir auch recht! Ungeheuer nennst Du mich? O, wäre ich es gegen Dich gewesen, wie Du es gegen mich und Viele warst. Ich könnte jetzt lange mit Dir reden, reden von der Vergangenheit, könnte predigen wie ein Pfaffe, um Deine Seele für den Himmel zu retten. Aber sie gehört in die Hölle und soll zur Hölle fahren. Ich habe keine Zeit für Dich, denn ich muß noch in dieser Nacht die Opfer befreien, welche dort unter dem Kloster schmachten. Dein Sand ist abgelaufen!«
    »Laß mich, Ella! Was willst Du haben für mein Leben? Ich gebe Dir Tausende, viele, viele Tausende!«
    »Das Elend und einen ewigen Kerker würdest Du mir geben, wenn ich Dich frei ließe; ich kenne Dich. Eins nur kann ich für Dich thun: Ich will Dir Deine letzten Augenblicke versüßen durch eine Nachricht, die Dein gutes Herz bis zu Thränen rühren wird: Lieutenant Schubert ist frei. Er hat Euch hier an derselben Stelle belauscht, an welcher wir jetzt liegen. Er hat jedes Eurer Worte gehört und auch gesehen, daß Du Deinem Diener das Sündengeld gabst. Dann hat er ihn unten am Blitzkreuze gefangen genommen und zum Staatsanwalt in die Mühle gebracht.«
    »Lüge!« stöhnte der Prinz.
    »Wahrheit, mein Hugo! Auch der Vogt liegt unten im Gange gebunden. Euer Spiel ist aus, und Du kannst nichts weiter thun, als wie ein ächter Cirkusclown mit einem Salto mortale von dem Schauplatze Deiner segensreichen Thätigkeit abtreten. Diesen Salto mortale werde ich Dir erleichtern. Siehst Du die Tiefe da unten? Wie sie lockt, wie sie winkt? ›Halb zog sie ihn, halb sank er hin‹ – ich werde ziehen, ja, gewiß! Bete ein Vaterunser! Ich zähle bis Drei, dann fährt Deine Seele trotz der heiligen Worte zum Teufel!«
    »Ella, vergib!«
    »Ich will Dir vergeben, was Du an mir thatest, aber was Du Andern thatest, dafür kann ich Dir keine Absolution ertheilen.«
    »Ich gebe Dir nicht Tausende, ich gebe Dir eine Million!«
    »Pah! Jeder Pfennig von Dir würde Unheil bringen! Eins – –!«
    »Ich habe nichts gethan, was Andere nicht auch thaten!«
    »Also keine Reue! Mensch, ich hätte Dich doch vielleicht laufen lassen, denn ich bin trotz alledem ein Weib und habe ein Herz im Busen; aber ich sehe, daß Du das Raubthier bleibst wie zuvor. Zwei –!«
    »Weib laß mich los! Ich rufe!« ächzte er mit aller Anstrengung, sich an den Stein festzuklammem.
    »Rufe, Unverbesserlicher! Passe auf – – Drei – – –!«
    »Hil – – –!«
    Die zweite Silbe des Hilferufes wurde von einem lauten Prasseln und einem darauf folgenden dumpfen Krachen übertönt. Der Pater hatte mit einem fast
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