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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel
Autoren: Karl May
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todtenkopfähnlichen Gesichte den Männern entgegen.
    »Fort mit dem Lichte!« erklang es dumpf und heiser. »Es verbrennt mir die Augen und das Hirn. Packt Euch! Ich bete nicht!«
    »Wer ist es, Pater, wer ist es?« frug der General.
    Der Pater antwortete nicht, sondern frug den Gefangenen:
    »Wollen Sie frei sein?«
    »Frei?« antwortete es. »Frei, das heißt bei Euch todt? ja, tödtet mich, obgleich ich bereits gestorben bin!«
    »Herr von Walmy, wir bringen Ihnen wirklich die Freiheit!«
    »Walmy! Walmy nennst Du ihn, Pater. Ist er es, o sag, ist er’s?« rief Friedrich von Walmy.
    »Er ist es.«
    »Theodor!« schrie der junge Mann auf und stürzte sich in die Zelle.
    Ein unartikulirter Schrei erklang, dann war es still in dem Loche, nur das Geräusch der Küsse hörte man, mit denen der Jüngling den Mund seines ohnmächtigen Bruders bedeckte.
    Die Hände des Paters zitterten, und seine Stirn war von dicken Schweißtropfen bedeckt, aber er bezwang sich.
    »Lassen wir die Beiden,« meinte er. »Kommen Sie weiter!«
    Eine kurze Strecke entfernt hob er wieder einen Stein, um eine zweite Thür zu öffnen. Derselbe Duft und dasselbe Stroh, auf welchem aber dieses Mal eine weibliche Gestalt ruhte. Sie sprang auf. Ihre Haft war kürzer gewesen als die des vorigen Gefangenen, darum erkannte man noch die Spuren der Schönheit in den bleichen eingefallenen Zügen. Das Mädchen starrte die Männer einen Augenblick lang an, dann breitete sie die Arme aus.
    »Vater, mein Vater! Bruder! Vergebt!«
    Auch sie sank bewußtlos nieder. Die beiden Mylungen knieten neben ihr nieder, und aus ihrem Munde war nichts als ein lautes herzbrechendes Schluchzen zu vernehmen.
    »Lassen wir sie jetzt; kommen Sie bei Seite!« bat der Pater mit gebrochener Stimme. Auch er schluchzte wie ein Kind.
    »Aber die Ketten?« frug der General.
    »Ich kann sie lösen. Unter dem Wassergefäß liegt stets der Schlüssel.«
    Unterdessen hatte Kurt unter Karaveys Begleitung den alten Kunz erreicht, der sich vor Freude über den Anblick seiner wiedergefundenen Herrin kaum zu fassen vermochte. Nach diesen ersten Ausbrüchen des Entzückens aber wurde es wieder still. Die beiden Männer flüsterten leise mit einander, und in einiger Entfernung davon saßen die zwei jungen Leute Hand in Hand und hatten sich viel Heimliches zu sagen. Nur einmal hörte der alte treue Kunz die leisen Worte:
    »Kurt, Du hast mich auf Deinen Armen von da oben fortgetragen; Du sollst mich auf diesen Armen auch durchs Leben tragen. Willst Du?«
    »O wie gern, wie so unendlich gern!«
    Dann ertönte ein leiser indiskreter Schall, so daß sich Kunz schmunzelnd den Schnurrbart strich und fast laut gebrummt hätte:
    »Gott sei Dank, nun ist mein Herzenswunsch erfüllt! Verstanden?«
    Endlich langten auch die Andern an, an ihrer Spitze der Pater.
    »Auf und vorwärts!« gebot er. »Nehmt dem Vogt die Schnur von den Füßen, daß er laufen kann; aber laßt ihn nicht entwischen. Er soll seinem Herrn Neffen Gesellschaft leisten.«
    Die Höhle wurde verlassen. Holmers und der Schmied hatten den Gefangenen zwischen sich. Kurt trug wieder Magda und der junge Mylungen seine Schwester. Theodor von Walmy wurde von seinem Bruder und dem Steuermanne mehr getragen als geführt; so ging es den Berg hinab. Es hatte sich ein leichter Wind erhoben, der in den Wipfeln-der Tannen rauschte. Da blieb der Pater plötzlich stehen.
    »Horch! War das nicht ein Schrei!« frug er.
    »Auch ich hörte ihn,« antwortete Holmers. »Er klang wie vom Himmel herab.«
    Da ertönte derselbe Schrei zum zweiten Male.
    »Pah, es ist eine Weihe oder sonst ein Raubvogel!« sagte der Müller, und die Gesellschaft setzte ihren Weg fort.
    Als sie im Scheine der Laternen die Mühle erreichten, wurde die Thür von den zurückgebliebenen Frauen geöffnet.
    »Habt Ihr sie?« frug Freya.
    »Ist sie da?« erkundigte sich Wanka.
    »Bringt Ihr sie?« wollte auch Zilla wissen.
    »Hier ist sie!« rief der General jubelnd.
    »Ich habe sie!« jauchzte die Lange, indem sie die Nichte an sich zog.
    »Nein, ich habe sie!« behauptete die Kleine, indem sie Magda umarmte.
    »Seht her; ich bins, die sie hat!« rief die Dicke, der leider wieder nur eine Umarmung von der Rückseite ermöglicht war.
    »Na, na, nur sachte!« warnte der Schmied. »Wenn sie zerrissen wird, dann hapen wir sie umsonst herpeigepracht!«
    Sie wurde im Triumphe in das Zimmer geschoben und gezogen, die Andern folgten.
    Da drinnen erhob sich nun ein unendlicher Jubel, bei dem
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