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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora
Autoren: Maeve Binchy
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Aidan ein Gefühl der Sicherheit vermittelten. Und bis zu diesem Augenblick hatte er sich gute Chancen ausgerechnet, daß all das demnächst sein Reich sein würde.
    »Sie werden also Tony O’Brien nehmen«, meinte er resigniert.
    »Ja, es sieht so aus. Die Entscheidung wird zwar nicht vor nächster Woche fallen, aber sie haben ihn im Auge.«
    »Ich frage mich nur, warum?« Aidan war so neidisch und verwirrt, daß ihm fast schwindlig wurde.
    »Ach, fragen Sie mich was Leichteres, Aidan. Der Mann ist nicht mal praktizierender Katholik. Und seine Moral ist die eines Schürzenjägers. Ihm bedeutet diese Schule nichts, sie ist ihm gleichgültig, im Gegensatz zu uns. Trotzdem glaubt die Behörde, daß er der richtige Mann für die Probleme unserer Zeit ist. Harte Zeiten brauchen harte Männer.«
    »Die dann auch mal einen Achtzehnjährigen krankenhausreif prügeln«, warf Aidan ein.
    »Nun, es wird allgemein angenommen, daß der Junge Drogen verkaufen wollte. Und immerhin hat er sich seitdem nicht mehr in der Nähe der Schule blicken lassen.«
    »Aber so kann man doch keine Schule leiten«, entgegnete Aidan.
    »Sie würden es anders machen, und ich auch. Aber unsere Zeit ist vorbei.«
    »Mit Verlaub, Mr. Walsh, Sie sind fünfundsechzig, aber ich bin erst achtundvierzig und zähle mich noch nicht zum alten Eisen.«
    »Das müssen Sie ja auch nicht, Aidan. Wie schon gesagt, Sie haben eine reizende Frau und zwei Töchter, ein Leben außerhalb der Schule. Darauf sollten Sie bauen. Lassen Sie es nicht so weit kommen, daß Ihnen die Arbeit wichtiger wird als die Familie.«
    »Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie sich solche Gedanken um mich machen. Ich möchte Ihnen dafür danken. Und das ist nicht nur so dahingesagt. Ich bin wirklich froh, daß Sie mich vorgewarnt haben. Sonst wäre ich ziemlich dumm dagestanden.« Und mit hocherhobenem Haupt verließ Aidan das Direktorat.
     
    Als er nach Hause kam, sah er, daß Nell das schwarze Kleid und den gelben Schal angezogen hatte. Das war ihre Arbeitskleidung im Restaurant.
    »Aber du arbeitest doch gar nicht am Montagabend«, rief er bestürzt.
    »Sie haben mich gebeten auszuhelfen, und da dachte ich mir, warum nicht. Im Fernsehen läuft ja auch nichts«, erwiderte sie. Dann fiel ihr wahrscheinlich sein Gesichtsausdruck auf. »Im Kühlschrank ist ein schönes Steak«, meinte sie. »Und vom Samstag sind noch ein paar Kartoffeln da … brat dir eine Zwiebel dazu an, das schmeckt dir bestimmt.«
    »Sicher«, antwortete er. Er hätte Nell sowieso nichts gesagt. Vielleicht war es besser, daß sie wegging. »Sind die Mädchen daheim?« fragte er.
    »Grania hat das Badezimmer in Beschlag genommen. Anscheinend hat sie heute abend ein wichtiges Rendezvous.«
    »Mit jemandem, den wir kennen?« Er wußte selbst nicht, warum er das gesagt hatte. Nell reagierte gereizt.
    »Wieso sollte es jemand sein, den wir kennen?«
    »Weißt du noch, als sie klein waren? Da haben wir alle ihre Freunde gekannt.«
    »Ja, und weißt
du
noch, wie sie uns die ganze Nacht mit ihrem Geschrei wach gehalten haben? Ich muß jetzt los.«
    »Tschüs, paß auf dich auf«, sagte er mit tonloser Stimme.
    »Aidan, hast du etwas?«
    »Würde es einen Unterschied machen, ob ich etwas habe oder nicht?«
    »Was soll denn diese Antwort? Wozu frage ich dich überhaupt noch irgendwas, wenn ich so eine Antwort kriege?«
    »Ich meine es ganz ernst. Würde es einen Unterschied machen?«
    »Nicht, wenn du dich in Selbstmitleid ergehst. Wir sind alle etwas geschafft, Aidan, keiner von uns hat es leicht. Warum bildest du dir ein, du wärst der einzige, der Probleme hat?«
    »Welche Probleme hast du denn? Darüber redest du nie mit mir.«
    »Dafür ist jetzt bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt – drei Minuten bevor mein Bus geht!«
    Und weg war sie.
    Er machte sich eine Tasse Pulverkaffee und setzte sich an den Küchentisch. Da kam Brigid herein. Sie war dunkelhaarig und sommersprossig wie er, aber zum Glück nicht so stämmig. Ihre ältere Schwester hatte die blonden Haare und das gute Aussehen ihrer Mutter geerbt.
    »Daddy, das ist gemein. Jetzt blockiert sie schon seit fast einer Stunde das Badezimmer. Sie ist um halb sechs heimgekommen und um sechs ins Bad gegangen. Und jetzt ist es kurz vor sieben. Daddy, sag ihr, sie soll rausgehen und mich reinlassen.«
    »Nein«, entgegnete er ruhig.
    »Nein? Was soll das heißen?« Brigid war verblüfft.
    Was hätte er unter anderen Umständen gesagt? Irgend etwas Verbindliches, um
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