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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora
Autoren: Maeve Binchy
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eingestellt. Schließlich bin ich seit Jahren allein«, erwiderte sie schlicht.
    Überrascht sah Siobhan sie an. »Sie sind ganz schön kaltblütig, was?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Haben Sie gewußt, daß der Brief von mir war?« Klang Siobhan enttäuscht, oder freute es sie, daß sie ihr solche Angst eingejagt hatte? Noch immer hatte sie diesen irren Blick. Connie wußte nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. War es besser zuzugeben, daß sie keine Ahnung gehabt hatte, oder sollte sie so tun, als ob sie Siobhan von Anfang an durchschaut hätte? Diese Entscheidung war eine Qual.
    »Nun, ich habe es vermutet, aber ich war mir nicht ganz sicher.« Connie staunte selbst, wie gefaßt sie klang.
    »Warum?«
    »Niemand außer Ihnen macht sich wirklich etwas aus Harry. Wer sonst hätte den Brief also schreiben sollen?«
    Darauf herrschte Schweigen. Siobhan stützte sich auf die Stuhllehne, während das Geplauder und Gelächter im Lokal wieder auflebte. Da sich die beiden Ausländerinnen – dem ersten Anschein zum Trotz – offenbar doch nicht in die Haare geraten würden, schwand das Interesse an ihnen. Allerdings würde Connie ihr nicht anbieten, sich zu ihr zu setzen. Sie würde nicht so tun, als ob zwischen ihnen alles soweit in Ordnung wäre, daß sie wie zwei alte Bekannte an einem Tisch sitzen konnten. Siobhan Casey hatte gedroht, sie umzubringen, sie war buchstäblich verrückt.
    »Er hat Sie nie geliebt, wissen Sie das?«
    »O doch, am Anfang hat er mich geliebt, bevor er wußte, daß ich mir nichts aus Sex mache.«
    »Nichts daraus machen!« schnaubte Siobhan. »Er hat mir erzählt, wie mitleiderregend sie dagelegen haben, wimmernd, steif und völlig verkrampft. Genau so hat er es ausgedrückt: mitleiderregend.«
    Connies Augen wurden zu schmalen Schlitzen. So eine Indiskretion hätte sie Harry nicht zugetraut. Er wußte schließlich, wieviel Mühe sie sich gegeben und wie sehr sie ihn geliebt hatte. Da war es eine unerhörte Grausamkeit, Siobhan solche Einzelheiten zu erzählen. »Ich habe versucht, etwas dagegen zu tun, wissen Sie.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Es war sehr deprimierend und quälend und schmerzlich. Und letztlich hat es mehr geschadet als genützt.«
    »Sie haben Ihnen wohl gesagt, daß Sie ’ne Lesbe sind?« Siobhan wiegte sich hin und her, das glatte Haar fiel ihr strähnig ins Gesicht, während sie spöttisch auf Connie herabschaute. Diese Frau hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der tüchtigen Miss Casey vergangener Tage.
    »Nein, und ich glaube auch nicht, daß
das
der Grund war.«
    »Was denn sonst?« Siobhan schien die Neugier gepackt zu haben.
    »Man hat mir gesagt, ich könne Männern kein Vertrauen entgegenbringen, weil mein Vater unser ganzes Vermögen verspielt hat.«
    »Kompletter Schwachsinn.«
    »Das habe ich zuerst auch gesagt. Vielleicht etwas vornehmer, aber im Grunde habe ich das gemeint.« Auf Connies Gesicht zeigte sich ein mattes Lächeln.
    Unerwartet zog Siobhan sich einen Stuhl heran und setzte sich. Nun, da Connie nicht mehr zu ihr aufschauen mußte, sah sie noch deutlicher, welche tiefen Spuren die letzten Monate in Siobhan Caseys Gesicht hinterlassen hatten. Zudem war ihre Bluse fleckig, ihr Rock saß schlecht, und ihre Fingernägel waren schmutzig und abgekaut. Das ungeschminkte Gesicht blieb keine Sekunde lang ruhig. Sie muß zwei oder drei Jahre jünger sein als ich, ging Connie durch den Sinn, aber sie sieht um Jahre älter aus.
    Stimmte es, daß Harry ihr gesagt hatte, er sei fertig mit ihr? Das hatte sie wohl aus der Bahn geworfen. Connie beobachtete, wie Siobhan nach einem Messer und einer Gabel griff; sie spielte nervös mit dem Besteck herum und nahm es ständig von einer Hand in die andere. Diese Frau war sehr aufgewühlt. Die Gefahr war noch längst nicht vorüber.
    »Rückblickend betrachtet war eigentlich alles für die Katz. Er hätte Sie heiraten sollen«, sagte Connie.
    »Ich hatte für ihn nicht genug Klasse. Ich wäre nicht die Gastgeberin gewesen, die er gewollt hat.«
    »Das war doch nur ein sehr kleiner und höchst oberflächlicher Teil seines Lebens. Er hat praktisch mit Ihnen zusammengelebt.« Connie hoffte, daß diese Taktik sich auszahlen würde. Schmeichle ihr, erzähl Siobhan, daß sie Dreh- und Angelpunkt in Harrys Leben war. Laß sie bloß nicht ins Grübeln geraten, sonst wird ihr bewußt, daß es nun aus und vorbei ist …
    »Da er zu Hause keine Liebe fand, war es nur natürlich, daß er sie woanders gesucht hat«, meinte Siobhan,
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