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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora
Autoren: Maeve Binchy
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Sekunden, um ihn zu schnappen. Er drehte dem Mann den Arm auf den Rücken, was offensichtlich sehr weh tat, und hielt die andere Hand mit der gestohlenen Handtasche hoch, so daß alle sie sehen konnten. Dann führte er ihn zwischen den Gästen hindurch zum Geschäftsführer.
    Langwierige Erklärungen auf italienisch folgten und führten dazu, daß die
carabinieri
geholt wurden. Es herrschte große Aufregung. Doch sie erfuhren nie, was eigentlich passiert war. Ein paar Amerikaner an einem Tisch mutmaßten, die Frau habe sich mit einem Gigolo eingelassen. Engländer am Nebentisch hingegen behaupteten, es habe sich um den Freund der Frau gehandelt, einen ehemaligen Drogenabhängigen. Für ein französisches Pärchen war es nichts weiter als eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Liebenden gewesen, aber sie fanden es richtig, daß man den Mann zur Polizeiwache brachte.
    Lou und seine Freunde waren die Helden des Abends. Als die Frau ihm eine Belohnung anbot, handelte Lou statt dessen ein Essen für sich und seine Freunde aus. Das schien allen Seiten entgegenzukommen.
    »
Con vino, se è possibile?«
ergänzte Lou. Sie tranken, bis sie alle beinahe vom Stuhl fielen, und mußten ein Taxi nach Hause nehmen.
    »Dasch war der schönschte Abend meinesch Lebensch«, lallte Lizzi, die zweimal hinfiel, bevor sie ins Taxi krabbelte.
    »Man muß eben einfach nur die Augen offenhalten«, meinte Lou.
     
    Connie sah sich in der Pizzeria um. Es saßen hauptsächlich junge Leute hier, im Alter ihrer Kinder, die sich lebhaft unterhielten, fröhlich lachten und einander ins Wort fielen. Sehr lebendig und selbstbewußt. Was, wenn dies der Ort war, an dem man sie zuletzt gesehen haben würde? Was, wenn es tatsächlich stimmte, wenn wirklich jemand hinter ihr her war, jemand, der Drohbriefe an der Rezeption hinterließ? Aber man würde sie doch nicht vor aller Augen umbringen wollen? Nein, unmöglich. Und doch, wie sonst ließ sich dieser Brief erklären? Er steckte noch immer in ihrer Handtasche. Vielleicht sollte sie sicherheitshalber eine Notiz dazuschreiben, etwa daß sie befürchte, die Karte könne von Harry oder einem seiner »sogenannten« Partner stammen? Aber das war doch verrückt. Oder wollte er sie vielleicht verrückt machen? Connie hatte so etwas schon in Filmen gesehen. Dazu durfte sie es keinesfalls kommen lassen.
    Ein Schatten fiel auf ihren Tisch, und als sie aufsah, erwartete sie, den Kellner zu sehen oder einen Gast, der sich einen Stuhl von ihrem Tisch ausborgen wollte. Doch ihr Blick fiel auf Siobhan Casey, die langjährige Geliebte ihres Mannes. Auf die Frau, die Harry nicht nur einmal, sondern gleich zweimal geholfen hatte, Geld zu veruntreuen.
    Allerdings sah sie jetzt anders aus, älter und müde. Falten durchzogen ihr vormals jugendlich glattes Gesicht. Und in ihren Augen lag ein gefährliches Funkeln. Plötzlich wurde es Connie angst und bang, die Worte blieben ihr im Hals stecken.
    »Sie sind noch immer allein«, höhnte Siobhan. Connie brachte weiterhin keinen Ton heraus. »Ganz egal, in welcher Stadt Sie sind, mit wie vielen Schmarotzern Sie durch die Gegend ziehen, letztlich sitzen Sie immer allein herum.« Siobhan lachte bellend und ohne die geringste Spur von Fröhlichkeit.
    Connie bemühte sich, ganz ruhig zu bleiben; keinesfalls durfte sie sich ihre Angst anmerken lassen. Nun machte es sich bezahlt, daß sie jahrelang gute Miene zum bösen Spiel gemacht hatte. »Ich bin gar nicht allein«, entgegnete sie und schob einen Stuhl in Siobhans Richtung.
    Da verfinsterte sich Siobhans Gesicht. »Immer noch die große Dame und nichts dahinter. Nichts!« Da Siobhan jetzt sehr laut geworden war, drehten sich die Leute zu ihnen um, als rechneten sie jeden Moment mit einer handfesten Auseinandersetzung.
    Aber Connie antwortete sehr leise. »Das ist ja wohl kaum die passende Umgebung für eine große Dame.« Sie hoffte, daß ihre Stimme nicht zitterte.
    »Nein, es ist dieses Wohltätigkeitsgehabe Ihrer Hoheit. Da Sie keine wirklichen Freunde haben, spielen Sie für ein paar Versager die große Gönnerin und machen mit ihnen sogar so eine schäbige Reise. Doch nicht einmal
die
wollen Sie haben. Sie werden immer allein sein, stellen Sie sich also lieber gleich darauf ein.«
    Connie entspannte sich ein wenig. Vielleicht wollte Siobhan Casey sie ja doch nicht umbringen. Denn warum sonst sollte sie ihr eine freudlose, einsame Zukunft ausmalen? Connie faßte ein bißchen Mut. »Ich habe mich schon längst darauf
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