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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora
Autoren: Maeve Binchy
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gesessen und beobachtet haben, wie wir groß wurden. Daß Sie sich meiner Mutter gegenüber sehr großmütig verhalten haben und fortgegangen sind, obwohl Sie es nicht wollten. Aber weil meine Mutter und meine Onkel Sie gedrängt haben, haben Sie schließlich nachgegeben.«
    »Das alles hast du gewußt?« Ihre Stimme war nur mehr ein heiseres Flüstern.
    »Ja, wir alle wußten es.«
    »Seit wann?«
    »Solange ich zurückdenken kann.«
    »Ich kann es kaum glauben. Dabei dachte ich immer … nun, es ist ja egal, was ich dachte …«
    »Wir waren alle sehr traurig, als Sie fortgegangen sind.«
    Da sah sie auf und lächelte ihn an. »Wirklich?«
    »Ja, wir alle. Sie haben uns so oft geholfen. Wir wußten, daß wir Ihnen viel zu verdanken hatten.«
    »Woher wußtet ihr das?«
    »Weil mein Vater Dinge zugelassen hat, die er normalerweise nie erlaubt hätte. Marias Hochzeit, der Laden in Annunziata, daß mein Bruder nach Amerika gegangen ist … und noch viel mehr. Das war alles Ihr Werk.«
    »Nein, nicht alles. Denn er hat euch geliebt, er wollte das Beste für euch. Wir haben nur manchmal darüber geredet, das war alles.«
    »Als Mama gestorben ist, haben wir versucht, Sie ausfindig zu machen. Wir wollten Ihnen schreiben, was passiert war. Aber wir wußten noch nicht einmal Ihren Namen.«
    »Das war sehr lieb von euch.«
    »Und nun hat Gott Ihre Schritte in dieses Lokal gelenkt. Es war Gottes Wille, davon bin ich überzeugt.« Die Signora schwieg. »Und deshalb wage ich es, Sie um einen wirklich großen Gefallen zu bitten.« Jetzt mußte sie sich an der Tischplatte festhalten. Warum bloß hatte sie kein Geld? Die meisten Frauen in ihrem Alter hatten ein bißchen Vermögen, wenigstens ein Sparbuch. Doch sie hatte sich nie an Besitztümer geklammert. Hätte sie doch nur etwas verkaufen können, um diesem Jungen zu helfen! Er mußte wirklich verzweifelt sein, daß er sie darum bat …
    »Nun, dieser Gefallen, Signora …«
    »Ja, Alfredo?«
    »Sie wissen, worum es geht?«
    »Frag mich, Alfredo. Und wenn ich dir den Wunsch erfüllen kann, dann gerne.«
    »Wir möchten, daß Sie zurückkommen. Wir wollen, daß Sie nach Hause kommen, Signora. Wo Sie hingehören.«
     
    Constanza verzichtete aufs Frühstück und ging statt dessen einkaufen. Zuerst leistete sie sich die bequemen Schuhe, die sie sich gestern so sehnlich herbeigewünscht hatte, dann erstand sie einen langen Seidenschal für die Signora. Sie entfernte das Designerlabel, damit Elisabetta nicht den Namen erkannte und aufschrie, daß er ein Vermögen gekostet haben müsse. Und schließlich kaufte sie das, wonach sie eigentlich gesucht hatte, und ging zurück, um an der Besichtigung des Forum Romanum teilzunehmen.
     
    Alle waren hellauf begeistert von dem Vortrag. Luigi sagte, er könne es geradezu vor sich sehen, wie die armen Christen ins Kolosseum geführt wurden. Mr. Dunne hatte versprochen, er würde ihnen nicht zu lange auf die Nerven gehen, er wisse, daß er ein alter, verknöcherter Lateinlehrer sei. Doch als er geendet hatte, klatschten alle Beifall und wollten noch mehr hören. Aidan Dunne lächelte überrascht und beantwortete alle ihre Fragen. Gelegentlich schaute er dabei zu Constanza hinüber, die ihn scheinbar die ganze Zeit mit einem Fotoapparat ins Visier nahm, aber nie auf den Auslöser drückte.
     
    Mittags fanden sie sich dann in kleinen Gruppen zusammen und verzehrten ihre Sandwiches. Connie Kane beobachtete Aidan Dunne, der sich kein Sandwich mitgebracht hatte und zu einem Mäuerchen ging, wo er sich hinsetzte und geistesabwesend in die Ferne starrte. Vorher hatte er noch allen erklärt, wie sie wieder zum Hotel zurückkamen. Doch nun saß er einfach still da, traurig, daß die Frau, für die er den Vortrag ausgearbeitet hatte, nicht doch noch gekommen war.
    Ob sie zu ihm gehen sollte, überlegte Connie? Doch was hätte sie sagen können, ihr fiel nichts Tröstliches ein. Also ging sie in ein Lokal und bestellte sich gegrillten Fisch und Wein. Es war angenehm, so etwas einfach tun zu können. Doch sie konnte das Essen kaum genießen, sondern fragte sich ständig, wer ihr von Dublin aus gefolgt war, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Hatte Harry jemanden auf sie angesetzt? Das war ein zu schrecklicher Gedanke, als daß sie ihm weiter nachhängen wollte. An die italienische Polizei konnte sie sich kaum wenden, und wahrscheinlich würde sie auch in Irland keinen Detektiv finden, der ihre Befürchtungen ernst nahm. Ein anonymer Brief
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