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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers
Autoren: Tad Williams
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Zeichnung einer Schlange gibt nicht wieder, wie es sich anfühlt, wenn ihr Gift in deinen Adern brennt.
    Darum werde ich nach dieser Nacht, wenn vollbracht ist, was ich mir vorgenommen habe, alles daransetzen, wieder auf meine Insel zurückzukommen. Aller Verderbnis zum Trotz, die ihr dort hingebracht habt, ist sie für mich doch eine Art Heimat – die einzige, die ich jemals haben werde. Ich weiß, welche Schiffe dafür in Frage kommen, und wenn ich mich für die Überfahrt abermals zwischen stinkenden Fischen verstecken muß, was macht das einem Ungeheuer schon aus?«
    Schwer atmend hielt er inne. Seine Hände waren zurück zu Mirandas Schultern gewandert und lagen jetzt wie große Spinnen links und rechts von ihrer Kehle.
    »Es wird bald Tag. Die Wachen werden allmählich nach ihrem fehlenden Kameraden suchen. Dein Vater ist mir entkommen, schöne Miranda, aber du nicht.«
    Eine Träne lief ihr über das Gesicht und in die Mulde unter ihrem Kinn. »Und jetzt wirst du mich also umbringen? Nach dieser langen Rede?« In ihrer Stimme war kaum Furcht zu hören, nur eine große Müdigkeit.
    »Wenn es in der ganzen Wüste dieser Welt nur ein Fünkchen Gerechtigkeit gibt, kann ich nichts anderes tun«, sagte er. »Es schmerzt mich, daß es geschehen muß, aber…«
    Seine Finger schlossen sich um ihren Hals, und sie gab einen leisen Schreckenslaut von sich. Die langen Muskeln seiner Arme ballten sich unter dem Pelz. Irgendwo im Zimmer ertönte ein leises Flattergeräusch, als ob ein eingesperrter Vogel mit den Flügeln gegen einen Vorhang schlüge. Ihre Hände kamen hoch und faßten seine Handgelenke, aber sanft.
    »Nein. Ich… bringe es so nicht fertig.« Er zog ein Kissen unter ihrem Kopf hervor. »Ich dachte, ich würde am Ende gern deine Augen sehen, Miranda, aber ich merke, daß dem nicht so ist.« Er setzte sich auf die Bettkante und legte sich mit seinem schweren Körper über sie, so daß sie Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, dann ließ er das Kissen auf ihr Gesicht sinken. »Ich werde dich anders in Erinnerung behalten, denke ich…«
    »Halt!«
    Die Stimme klang gedämpft. Der Wandbehang neben der Tür bauschte sich, dann spannte er sich und riß an einer Ecke ab, und eine blasse Gestalt kämpfte sich darunter hervor. »Nein, bitte, tut ihr nichts!«
    Das Ungeheuer wandte verdutzt den Kopf. Das junge Mädchen stürzte vor, zog seine nachgebende Hand vom Kissen und nahm es von Mirandas Kopf. Schluchzend begrub sie das Gesicht an der Brust ihrer Mutter.
    »Giulietta«, stieß diese hervor. Auf einmal war wieder Gefühl in ihrer Stimme. »O barmherziger Gott, was machst du denn hier? Lauf weg, Tochter, lauf!«
    Ein dunkler Arm streckte sich aus. Die Hand des Ungeheuers umspannte Giuliettas Nacken… aber behutsam. »Wie lange hast du gelauscht?« brummte er.
    »Ist es wahr?« fragte Giulietta und sah ihre Mutter mit tränenüberströmten Augen an. »Ist das alles wahr?«
    Auch Miranda weinte. »O lieber Gott, warum bist du gekommen?«
    »Ich… konnte nicht schlafen. Mir hatte schlecht geträumt. Ich wollte mit Euch reden, da hörte ich Stimmen und versteckte mich. Ist es wahr, Mutter? Was er gesagt hat?«
    Ihre Mutter konnte darauf nichts erwidern.
    »Genug.« Er packte fester zu und zog das Mädchen in die Höhe. Seine Stimme war ungerührt und rauh. »Ich würde keine Unschuldige töten, aber die Tränen dieses Frischlings werden die Hinrichtung der Bache nicht verhindern. Ich bedaure, daß du das mit ansehen mußt, Kind, aber diese Strafe für dein Spionieren hast du dir selbst zuzuschreiben.«
    Miranda setzte sich auf und schlug vergeblich auf Kalibans Arme ein. »Tu ihr nichts! Sie hat nichts getan!«
    »So wie ich nichts tat, aber dennoch bestraft wurde, du dummes Weib?« knurrte er. »Oder wie du nichts tatest, als dein Vater und Ariel mich tagaus tagein quälten? Es gibt viele Arten, nichts zu tun.« Er stieß sie unsanft nieder. »Aber ich sagte, daß ich sie nicht töten werde. Hörst du denn niemals zu? Oder hat dich das jahrelange Leben mit Lügen für die Wahrheit taub gemacht?« Er hob das Kissen über ihren Kopf. »Sie hat gehört, was du mir angetan hast, jetzt wird sie das harte Walten der Gerechtigkeit erleben. Hinterher wird sie den unfreiwilligen Schlummer des ausgeschalteten alten Wächters teilen.«
    Miranda schloß die Augen. »O Gott, dann sei es so. Tu ihr nichts, Kaliban! Wie du selbst gesagt hast, sie ist unschuldig.«
    Giulietta wand sich in seinem Griff. »Tötet meine Mutter
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