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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers
Autoren: Tad Williams
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nicht!«
    »Sie kann ihre Schuld nicht anders sühnen, Kind.«
    »Nehmt mich an ihrer Stelle!«
    »Nein!« Miranda begann sich wieder zu sträuben.
    »Still, alle beide!« Er riß die Tochter abermals hoch und schob sie zur Seite. »Du hast ebenso schlecht zugehört, Kind, wenn du meinst, ich würde dich umbringen oder dir sonst ein Leid antun. Geh, lauf weg! Ich werde hiermit fertig sein, bevor du Hilfe bringen kannst.«
    »Nein, nehmt mich mit! Verschont meine Mutter! Nehmt mich mit Euch fort!«
    Auf diese Worte hin wurde es so still im Raum, daß selbst die Kerzenflamme einen Augenblick lang in ihrem Flackern innezuhalten schien.
    Seine Augen verengten sich. »Was sagst du da? Welcher Wahnsinn…?«
    »Nehmt mich mit auf Eure Insel! Ich werde dort mit Euch leben.« Sie setzte sich auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Hier erwartet mich nichts als die Ehe mit dem dicken Renato Ursino und ein Leben als Mutter seiner Kinder. Laßt mich mit Euch auf Eurer Insel leben! Ich werde Eure Dienerin sein. So kann die Schuld wiedergutgemacht werden.«
    »Nein, Giulietta, mein Häschen, du bist von Sinnen, du weißt nicht, was du sagst. Er ist… er ist ein Tier. Du weißt nicht, was du sagst!« Mit krallenden Fingern faßte Miranda nach ihrer Tochter, doch das Mädchen rutschte zurück und stand auf.
    »Doch, das weiß ich.« Sie drehte sich um und schaute ihm fest in die Augen, auch wenn ihre Unterlippe zitterte. »Das weiß ich. Wenn Ihr meine Mutter verschont, werde ich Eure Gefährtin sein. Ich habe Euch die ganze Nacht über zugehört. Ich denke, Ihr seid kein Ungeheuer, sondern ein Mensch.« Sie streckte beschwörend die Hände aus. »Ich habe zugehört. Ich werde mit Euch gehen.«
    »Höre nicht auf sie, Kaliban!« flehte Miranda. »Töte mich, wenn du mußt! Aber nimm sie nicht mit! Sie ist nur ein dummes Kind – sie weiß nicht, was sie sagt.«
    Der große dunkle Kopf drehte sich von der Tochter zur Mutter. Auf einmal tönte unten vom Hof Schrittegetrappel herauf, gefolgt von gedämpften Männerstimmen.
    »Ich weiß nicht«, sagte er langsam. »Sie ist ganz ähnlich wie du – bevor die gierigen Hände deines Vaters alles Leben aus dir herauspreßten.« Er wandte sich wieder Giulietta zu. »Du willst meine Gefährtin sein, sagst du? Das wird nicht leicht sein. Allein auf die Insel zurückzugelangen wird viele Monde dauern, und die Reise wird anstrengend werden. Und das Leben auf der Insel ist nicht so, wie du es dir vielleicht vorstellst. Du hast bis jetzt dein ganzes Leben in diesem großen Haus verbracht, bist geküßt und gehätschelt worden, hast weiche Kleider und köstliche Speisen gehabt. Selbst um das Leben deiner Mutter zu retten, wäre das ein hoher Preis, den du bezahlen müßtest.«
    Sie hielt seinen Blick, und etwas von der eisernen Entschlossenheit ihres Großvaters funkelte in ihren Augen. »Ich tue es nicht, um das Leben meiner Mutter zu retten… auch wenn ich sie natürlich liebe und von Herzen will, daß sie verschont bleibt. Ich werde um meinetwillen mit Euch gehen. Jawohl!«
    Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ha! Opfer, Flucht, Rache – oder vielleicht alle drei? Ich denke, die Inselschlangen werden gut daran tun, dir aus dem Weg zu gehen, Mädchen.« Eine Weile überlegte er still vor sich hin, und unterdessen hörte man weiter Stimmen vom Hof heraufschallen.
    »Nun gut«, sagte er schließlich, stand auf und deutete auf die großen Truhen aus dem Holz der Libanonzeder, die in einer Nische in der hinteren Wand standen. »Suche dir etwas Kleidung zusammen, die für eine unbequeme Reise taugt. Ich bin sicher, deine Mutter kann ein paar Sachen erübrigen. Rasch jetzt!«
    Das Mädchen warf ihrer Mutter einen kurzen Blick zu, als wäre sie plötzlich doch verunsichert, dann ging sie wie eine Schlafwandlerin zur Garderobe.
    Er wandte sich wieder dem Bett zu, winkelte sein verwachsenes Bein an und deutete eine ironische Verbeugung an. »Wie es aussieht, bleibt dir die Hinrichtung erspart, meine schöne Miranda. Seltsamerweise erleichtert mich das ein wenig.«
    Sie wühlte sich aus den verknäuelten Decken und machte Anstalten, aufzustehen. »Aber du kannst nicht… du wirst doch nicht…«
    »O doch, ich kann. Und ich werde.«
    »Bitte! Du kannst nicht so grausam sein!« Sie erhob sich, schwankte und klammerte sich an den Bettpfosten. »Bitte! Du kannst mir nicht meine Tochter wegnehmen!«
    »Wieso nicht? Du hast mir fast mein ganzes Leben weggenommen. Außerdem bin ich erst
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