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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers
Autoren: Tad Williams
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und wenn möglich Hilfe zu finden, nun aber ließen sie davon ab und eilten zum Strand zurück, wohin die Passagiere des Schiffes sich gerettet hatten, und sie hießen mich sie begleiten und versprachen mir Essen und Schutz vor meinem Herrn. Zum erstenmal wagte ich zu hoffen, mein Leben könnte doch noch eine Wende zum Guten nehmen.
    Hoffnung ist eine grausame Täuschung, die nicht einmal Ariel ausgemerzt hatte. Törichter Kaliban! Dummer, törichter Lehmkloß!
    Der König und sein Gefolge waren fort, und der Strand war leer bis auf einen einzelnen sandigen Leichnam, einen der von dem Sturm über Bord geworfenen Seeleute, der zuletzt ans Ufer gespült worden war. Ich starrte seine hervorquellenden, blinden Augen an, während Stephano und Trinculo ihr Pech verfluchten. Er war ein weiteres Opfer deines Vaters, Miranda. Ich weiß nicht einmal seinen Namen, doch er hatte dunkle Locken und trug ein Kreuz aus Elfenbein um den Hals. Vielleicht sehe ich ihn in einer anderen Welt wieder, dann werde ich ihm sagen, daß es keine Gerechtigkeit auf dieser Erde gibt, wo die Spiele einiger Mächtiger den Tod von Unschuldigen zur Folge haben, die sie gar nicht kennen. Ich habe nicht lange unter euresgleichen gelebt, Miranda. Möglicherweise wußte er das schon, bevor das Meer ihn verschlang.
    Wir machten uns eilig auf die Suche nach König Alonso, doch Ariels Aufruhr der Elemente hatte überall magische Netze hinterlassen: Meine vertraute Insel war ein einziger Irrgarten geworden. Verführt von falschen Fährten, täuschenden Rufen und ortlosen Lichtern, mehrmals auch leiser, nirgendwoher kommender Musik, liefen wir stundenlang die Waldpfade auf und ab, ohne unserem Ziel näher zu kommen. Erschöpft ließen wir uns schließlich fallen und sanken eine Weile in einen unruhigen Schlaf, bevor wir weiterstolperten.
    Endlich erreichten wir das Haus am Hang, nur um festzustellen, daß das Spiel gelaufen, die Geschichte an den Mann gebracht und wir drei nur zu spät gekommene Witzfiguren waren. Ariel behexte auch noch Stephano und Trinculo, so daß ihre Müdigkeit nach betrunkener Narretei aussah und ihre Warnungen jede Glaubwürdigkeit verloren. Benebelt von der Magie deines Vaters hatte König Alonso sich in aller Form entschuldigt und seinen Ansprüchen abgeschworen, und jetzt stand er selber mit dem breiten Grinsen eines Betrunkenen da, drückte Prosperos Hand und verkündete lauthals, alles Unrecht solle gesühnt, alle Verbrechen bestraft werden. Und da Antonio, der umstürzlerische Bruder deines Vaters, praktischerweise unter den Ertrunkenen war, gab es keinen anderen Anwärter auf den Mailänder Thron.
    Mir aber begann zu dämmern, während ich taumelnd die für mich unfaßbar große und vollkommen unerwartete Menge anderer Menschen angaffte, daß das Unrecht, das ich erduldet hatte, sehr wohl ungesühnt bleiben würde.
    Da erschienst du, Miranda, an einen Jungen gehängt, dessen Gesicht bleich wie Ziegenmilch war und der auch nicht klüger dreinschaute als eine Ziege. Doch es war nicht der Ausdruck auf seinem Gesicht, der mein Herz in ein finsteres Loch stürzte.
    Der König hatte seinen milchgesichtigen Sohn offenbar für tot gehalten und stieß laute Überraschungsschreie aus. Er umarmte ihn, und dann umarmte er in seiner Verblüffung auch dich.
    Dies ist meine Miranda, klärte ihn sein Sohn Ferdinand auf. Ich will sie zur Frau nehmen. Sie ist schön und herzensgut – und eine Jungfrau, wie es sich geziemt.
    Eure Tochter, Herzog Prospero? fragte Alonso einigermaßen verdutzt.
    Allerdings, und makellos vom Scheitel bis zur Sohle, antwortete dein Vater. Eine standesgemäße Braut für einen Prinzen. Falls Ihr geruht, der Vermählung zuzustimmen, können wir aus der Heimfahrt einen Hochzeitszug machen.
    Ach, meinte da Alonso, leider ist unser Schiff gesunken. Wir sitzen alle hier fest.
    Prospero nickte und schmunzelte in seinen Bart.
    Es wurde noch anderes geredet, aber ich hörte es nicht mehr. Dich zu sehen, wie du Ferdinand anschmachtetest, schnitt mir wie ein Messer ins Auge. In meinen Ohren erhob sich ein furchtbares Rauschen, als ob Ariel den Sturm aufs neue entfesselt hätte. Ich fiel zwischen Stephano und Trinculo auf die Knie und stieß einen lauten Schrei aus, doch niemand achtete auf mich. Das verhexte Freundespaar neben mir war zu benommen, und alle anderen waren zu sehr mit Fragen und Feiern beschäftigt. Abermals jammerte ich, und es hätte mich nicht überrascht, wenn mir das Herz in der Brust zersprungen und ich tot
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