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Die Insel des Dr. Moreau

Die Insel des Dr. Moreau

Titel: Die Insel des Dr. Moreau
Autoren: H. G. Wells
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Wochen damit, unter den schwarzen Ruinen der Ummauerung und auf dem Strande, wo die Boote verbrannt worden waren, nach Nägeln und anderen kleinen Metallstücken zu suchen, die nützlich sein konnten. Hin und wieder beobachtete mich ein Tiergeschöpf und sprang davon, wenn ich es rief. Es kam eine Zeit der Gewitterstürme und heftigen Regen, die eine Arbeit sehr verzögerte - aber schließlich wurde mein Floß fertig.
    Ich war entzückt davon. Aber mit einem Mangel an praktischem Sinn, der mir stets alles verdorben hat, hatte ich es eine Meile oder mehr vom Strand entfernt gebaut, und ehe ich es zum Wasser hinuntergeschleppt hatte, war das Ding in Stücke gefallen. Vielleicht ist es gut, daß es mir erspart blieb, es vom Stapel zu lassen. Aber damals war meine Verzweiflung über den Mißerfolg so groß, daß ich einige Tage einfach am Strande saß und aufs Wasser starrte und an den Tod dachte.
    Aber ich wollte noch nicht sterben, und ein Zwischenfall warnte mich auf unmißverständliche Weise davor, die Tage so verstreichen zu lassen - denn jeder neue Tag erhöhte die Gefährlichkeit der Tiergeschöpfe. Ich lag im Schatten der Ummauerung und starrte aufs Meer hinaus, als ich erschrak, weil etwas Kaltes die Haut meiner Ferse berührte. Ich fuhr herum und sah, wie mir das kleine, rosige Faultiergeschöpf ins Gesicht blinzelte. Es hatte die Sprache und seine Behendigkeit längst verloren, das strähnige Haar des kleinen Tiers wurde von Tag zu Tag dichter, und seine steifen Klauen wuchsen immer schiefer. Es machte ein stöhnendes Geräusch, als es meine Aufmerksamkeit geweckt hatte, ging ein kleines Stück zu den Büschen hin und blickte zu mir zurück.
    Zuerst verstand ich nicht, aber dann schien mir, als wolle es, ich sollte ihm folgen, und schließlich ging ich ihm langsam nach - denn der Tag war heiß. Als es die Bäume erreichte, kletterte es hinauf, denn unter den schwingenden Lianen konnte es sich besser vorwärts bewegen als auf dem Boden.
    Und plötzlich stieß ich auf einem zertrampelten Rasenfleck auf eine furchtbare Szenerie. Mein Bernhardinergeschöpf lag tot auf dem Boden, und bei seiner Leiche kauerte das Hyänenschwein, riß mit mißgestalteten Klauen an dem zitternden Fleisch und nagte daran und knurrte vor Vergnügen. Als ich herankam, hob das Ungeheuer die flackernden Augen zu mir auf, seine Lippen traten bebend von den blutbefleckten Zähnen zurück, und es knurrte drohend. Es fürchtete sich nicht, noch schämte es sich; die letzte Spur menschlicher Beimischung war verschwunden. Ich ging noch einen Schritt weiter, blieb stehen und zog meinen Revolver.
    Die Bestie machte keine Anstalten zum Rückzug. Aber sie legte die Ohren zurück, ihr Haar sträubte sich, und der Leib krümmte sich zusammen. Ich zielte zwischen die Augen und feuerte. Im selben Moment sprang das Ungeheuer auf mich los, und ich wurde wie ein Kegel umgeworfen. Es griff mit seinen verkrüppelten Klauen nach mir und schlug mich ins Gesicht. Sein Sprung trug es über mich weg. Ich fiel unter seinem Hinterleib, aber zum Glück hatte ich es getroffen, und es war im Sprung verendet. Ich kroch unter der unsauberen Last hervor, stand zitternd auf und starrte die zuckende Leiche an. Diese Gefahr wenigstens war vorüber. Aber dies, das war mir klar, war nur der erste einer Reihe von Rückfällen, die kommen mußten.
    Ich verbrannte beide Leichen auf einem Scheiterhaufen aus Buschholz. Jetzt freilich sah ich, daß mein Tod nur eine Frage der Zeit wäre, wenn ich die Insel nicht verließe. Die Bestien waren mittlerweile mit ein oder zwei Ausnahmen aus der Schlucht fortgezogen und hatten sich nach ihrem Geschmack in den Dickichten der Insel ein Lager gesucht. Nur wenige schweiften am Tage umher; die meisten schliefen, und einem Neuankömmling wäre die Insel verlassen erschienen; aber nachts erdröhnte die Luft häßlich von ihren Rufen und ihrem Geheul. Ich hatte fast Lust, ein Blutbad unter ihnen anzurichten - Fallen zu bauen oder mit meinem Messer gegen sie zu kämpfen. Hätte ich genug Patronen besessen, so hätte ich nicht gezögert, mit dem Töten zu beginnen. Jetzt konnten von den gefährlichen Fleischfressern kaum noch zwanzig übrig sein; die tapfersten von ihnen waren tot. Nach dem Tode dieses armen Hundes, meines letzten Freundes, nahm ich auch bis zu einem gewissen Grade die Gewohnheit an, am Tage zu schlafen, um nachts auf der Hut zu sein. Ich baute meine Höhle in den Mauern von Moreaus Haus so um, daß alles, was etwa einzudringen
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