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Susanne Barden 05 - Jung verheiratet

Susanne Barden 05 - Jung verheiratet

Titel: Susanne Barden 05 - Jung verheiratet
Autoren: Helen D. Boylston
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Lampenfieber
    In New Hampshire wird es früh Herbst. Obwohl es erst Anfang September war, begannen sich die Laubwälder auf den Nordhängen der Weißen Berge schon gelb und rot zu färben, und die kahlen zackigen Gipfelfelsen hoben sich scharf von einem kaltblauen Himmel ab. Unten im Tal aber war es noch sommerlich warm, und die Ahornbäume an der Hauptstraße von Springdale prangten noch in saftigem Grün. Die weißen Häuser des kleinen Gebirgsortes lagen, von geräumigen Scheunen umgeben, auf beiden Seiten eines Flusses. Es war ein verschlafenes Städtchen in einem verschlafenen Tal, in dem anscheinend niemals etwas passierte.
    An einem schönen sonnigen Nachmittag dieses Septembers geschah aber doch etwas - wenn auch nicht im Ort selber, sondern auf einem hoch darüber gelegenen Gelände, von wo die Ziegelsteinbauten eines erst vor kurzem errichteten Krankenhauses herüberleuchteten. In rascher Folge fuhren eine Anzahl Autos durch das große Tor und hielten dann vor dem Eingang des Hauptgebäudes. Aus jedem Wagen stieg mit einem Handkoffer in der Hand, etwas zaghaft ein junges Mädchen, dem Vater, Mutter oder sonstige Angehörige folgten. Nachdem dann noch ein großer Koffer ausgeladen worden war, verschwand die kleine Gruppe im Haus, tauchte jedoch gleich darauf in Begleitung einer weißgekleideten Krankenschwester wieder an der Hintertür auf.
    Ein schmächtiger junger Mann fuhr in der Nähe dieser Tür mit einem Rasenmäher über die Grünfläche. »Wenn das gutgeht, fress’ ich einen Besen«, murmelte er von Zeit zu Zeit düster und warf einen verschmitzten Blick zu den vollbesetzten Sonnenveranden hinauf. Die Patienten, die sich dort versammelt hatten, stammten fast alle aus Springdale und den umliegenden Orten. Neugierig musterten sie die ankommenden Mädchen, die von der Krankenschwester über einen mit Bäumen bestandenen Platz zum Edgett-Heim, dem Wohnhaus der Schwestern, geführt wurden. Da waren große und kleine, dicke und dünne, hübsche und weniger hübsche. Wie verschieden sie aber auch aussahen, etwas hatten sie gemeinsam; alle waren jung und alle machten ängstliche Gesichter.
    Nachdem die weißgekleidete Schwester das letzte Mädchen zum
    Schwesternheim begleitet hatte, warf sie einen mißbilligenden Blick zu den Sonnenveranden hinauf und murmelte etwas vor sich hin. Sie war groß und schlank und ging mit schwingenden weitausgreifenden Schritten. Die sommersprossige, leicht nach oben gebogene Nase und die hochgezogenen Augenbrauen gaben ihrem Gesicht einen munteren wachen Ausdruck. Auf ihrem schimmernden braunen Haar saß etwas schief eine winzige weiße Haube mit einem schwarzen Samtband. Die Tracht saß ihr wie angegossen; Schuhe und Strümpfe waren von blendendem Weiß.
    Aus dem zweiten Stock beugte sich ein Patient hinunter und rief: »Wie viele sind denn gekommen, Fräulein van Dyke?«
    »Das müssen Sie doch besser wissen als ich«, erwiderte die Schwester. »Sie waren ja den ganzen Nachmittag auf Ihrem Posten.«
    »Das stimmt schon«, gab der Mann schmunzelnd zu. »Ich hab’ keine einzige ausgelassen.«
    Mit einem leisen Kopfschütteln ging Katharina van Dyke weiter. Während sie die breiten Steinstufen hinaufstieg, ließ sie die Augen über das schöne neue Krankenhaus schweifen. Es war von Elias Todd, einem reichen Einwohner Springdales, gestiftet und erbaut worden. Die Leitung hatte er dem jungen Arzt von Springdale, Dr. Barry, übertragen, dessen Traum es schon lange gewesen war, hier in den Bergen ein Krankenhaus zu haben. Die Patienten kamen von abgelegenen Dörfchen, die in den Bergen versteckt lagen, aus Springdale selbst und von wohlhabenden Besitzungen in der Nähe des Ortes. Wer Geld hatte, bezahlte für seinen Aufenthalt. Wer nicht bezahlen konnte, wurde unentgeltlich behandelt. Die Leute waren stolz auf ihr Krankenhaus und rühmten es, wo sich eine Gelegenheit dazu bot. Doch Großsprecherei und Übertreibungen lehnten sie ab. »Es ist keine schlechte Anstalt«, pflegten sie zu sagen, und das war schon ein großes Lob in ihrem Mund.
    Es ist wirklich keine schlechte Anstalt, dachte Katharina van Dyke, während sie die Schwingtür zu der geräumigen Halle aufstieß. An den Wänden entlang standen Bänke. Hinter einem Pult mit der Aufschrift »Auskunft« saß eine stattliche ältere Frau. Als sie Schritte hörte, hob sie den Kopf und sah der Eintretenden mit klugen grauen Augen entgegen. Aus der Art, wie sie mit ihr sprach, war zu erkennen, daß sie die Stellung einer
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