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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine
Autoren: Barry Hughart
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konnte, denn sonst hätte sie ihre
Fänge in sein Bewußtsein geschlagen und mit ihren Klauen sein Herz umklammert.
Man kann das göttliche Wesen nicht ablegen«, schloß Neid, und seine Miene und
seine Stimme ließen ahnen, daß er nicht Yu Lan meinte, als er hinzufügte: »Aber
man braucht es auch nicht zu erstreben .« Meister Li
sah Neid lange nachdenklich an.
    »Du hast ein Maß an Größe
und Erniedrigung erfahren, das sich menschlichem Ermessen entzieht, und man muß
sich darum fragen, was du dir davon erhoffst, wenn du den Himmel dazu bringst,
eine Massenvernichtung auf der Erde geschehen zu lassen. Die Götter werden
einfach das Schicksal dafür verantwortlich erklären und sich umgehend an das
angenehme Werk des Wiederaufbaus machen, weißt du«, sagte Meister Li. »Und was
das irdische Gemetzel betrifft, würdest du wirklich so tief sinken, zu handeln
wie der legendäre König, der alle Elefanten der Welt zu sich rief, um die
Ameise zu zertrampeln, die ihn in den königlichen Zeh gebissen hatte?«
    Neid warf ihm ein feines
Lächeln zu. Die helle gerade Linie war jetzt sehr viel näher gerückt. Die Boote
gewannen immer mehr Geschwindigkeit, die Ersten Ruderer spuckten in die Hände
und banden ihre Tücher fester um den Kopf. Wasser klatschte gegen das Boot, und
der Griff des Steuerruders stieß mir in die Rippen. »Li Kao, Ihr wißt bereits,
daß ich so handle, wie ich es tue, weil ich muß«, erklärte Neid.
    Er wandte sich zu mir, und
in seinen Augen leuchtete ein seltsames Licht, das ich nicht deuten konnte,
beinahe, aber nicht ganz, wie der Mondschimmer in den Augen von Kuan, die mir
an ihrem Steuerruder gegenüberstand und, mühelos mit den Bewegungen des Bootes
sich wiegend, die trägen, tiefen Gedanken alter Brunnen dachte.
    »Nummer Zehn der Ochse«,
sagte Neid ruhig, »es war einmal ein großer König, der von einem hohen Turm auf
einen Gärtner hinunterblickte, der bei der Arbeit sang. Und der König rief:
Ach, hätte ich doch ein Leben ohne Sorgen! Könnte ich doch nur dieser
Gärtner sein . Und die Stimme des Erhabenen
Jadekaisers hallte vom Himmel herunter und sagte: So soll es sein, und
siehe da, der König war ein Gärtner, der in der Sonne sang. Mit der Zeit wurde
es heiß in der Sonne, und der Gärtner hörte auf zu singen. Dann zog eine zarte,
dunkle Wolke auf und brachte Kühlung mit sich und schwebte weiter. Es wurde
wieder heiß, viel Arbeit war noch zu tun, und der Gärtner rief: Ach, könnte
ich Kühlung bringen, wohin ich gehe und hätte keine Sorgen! Könnte ich doch nur
diese Wolke sein . Und die Stimme des Erhabenen
Jadekaisers hallte vom Himmel herunter und sagte: So soll es sein, und
siehe da, der Gärtner war eine Wolke, die am Himmel schwebte. Der Wind wehte,
und die Luft wurde kalt, und die Wolke hätte gern hinter einem Berg Schutz
gesucht. Aber sie konnte nur dorthin gelangen, wohin der Wind sie brachte. So
sehr sie sich auch anstrengte, in eine Richtung zu fliegen, der Wind trug sie
in eine andere, und über der Wolke schien hell die Sonne. Ach, flöge ich
doch durch den Wind, wäre warm und hätte keine Sorgen! Könnte ich doch die Sonne
sein, rief die Wolke, und die Stimme des Erhabenen Jadekaisers hallte vom
Himmel herunter und sagte: So soll es sein, und siehe da, er war die
Sonne. Es war ein großartiges Gefühl, die Sonne zu sein, und es gefiel ihm,
Strahlen hinunterzuschicken, die das eine wärmten und das andere verbrannten,
aber es war so, als würde er einen Anzug aus Feuer tragen, und er fing an, sich
wie ein Brot im Backofen zu fühlen. Über ihm funkelten die kühlen Sterne, die
Götter waren, in heiterer Ruhe und Gelassenheit, und die Sonne rief: Ach,
wäre ich göttlich und ohne Sorgen! Könnte ich doch nur ein Gott sein. Und
die Stimme des Erhabenen Jadekaisers hallte vom Himmel herunter und sagte:
So soll es sein, und siehe da, er war ein Gott, und er ging soeben ins
dritte Jahrhundert des Kampfes gegen den Steinernen Affen, der sich gerade in
ein hunderttausend Fuß großes Ungeheuer verwandelt hatte und einen Dreizack
schwang, der aus den Drillingsgipfeln des Berges Hua gemacht war. Wenn er nicht
gerade den Schlägen ausweichen mußte, konnte er hinunter auf die friedliche
Grüne Erde blicken, und der Gott rief: Ach, wäre ich doch ein Mensch, der
sicher und behütet lebt und keine Sorgen hat! Und die Stimme des Erhabenen
Jadekaisers hallte vom Himmel herunter und sagte: So soll es sein, und
siehe da, er war der König, der von einem hohen Turm auf
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