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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine
Autoren: Barry Hughart
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Fußabdrücken eines Huhns bedeckt,
das zuvor vergorene Maische gefressen hatte.
    »Ein literarischer Barbar !« brüllte Meister Li. »Ein Bursche namens Quintas Flaccus
der Vierte, der von einem Ort namens Sabiner-berge schreibt! Auf irgendeine
merkwürdige Weise hat er einen deiner Berichte in die Hände bekommen !« Rasch überflog er die Hühnerspuren. »Die üblichen
kritischen Kommentare !« schrie er. »Zähflüssige
Handlung, ungenaue Bildsprache, mißlungene Metaphern und so weiter!«
    »Nett, daß er geschrieben
hat !« gab ich aus vollem Halse zurück.
    »Sha lajen la !«
    »Hao! Hao! Hao!«
    »Hao tao!«
    »Wer hat meine bronzene
Gürtelschnalle und meinen Gürtel aus Pythonleder gestohlen ?«
    »Klongeling-klongeling-klongeling-klong!«
Das war ein Schuster, der mein rechtes Ohr anvisiert hatte und Werbung für sich
machte, indem er seinen Metallrahmen mit einem Hammer bearbeitete. Der Kopf,
den Teufelshand soeben abgeschlagen hatte, rollte wie ein Ball über das
Kopfsteinpflaster auf zwei kleine Mädchen zu, die sich gegenübersaßen und das
Klatschspiel spielten: in beide Hände des anderen klatschen, die linken Hände
aneinander klatschen, die rechten Hände aneinander klatschen, in die eigenen
Hände klatschen und so weiter, und dabei sangen sie einen alten Spottvers. Sie
betrachteten mit großen Augen den abgetrennten Kopf, der auf sie zugerollt kam,
hoben gleichzeitig ihre kurzen Beinchen, um ihn vorbeikullern zu lassen und
nahmen ihr Klatschspiel wieder auf. Ihre hellen, fröhlichen Stimmen klangen
während einer kurzen Pause in dem Getöse herüber:
    »Kuang kuang cha,
    Kuang kuang cha,
    Miao Ii hc shang
    Meiyu t'oufa !«
    Sangen die Barbarenkinder
in den Sabinerbergen etwas Ähnliches und klatschten dabei in die Hände?
    »Zimbeln im Paar,
    Zimbeln im Paar,
    Der alte Tempelpriester
    Hat keine Haar' !«
    Meister Li beugte sich zu
mir und schrie erneut: »Ochse, dieser Barbar ist ein erstaunlich fundierter
Kritiker. Hör dir das an. Incep-tis gravibus plerumque et magna professis
purpureus, late qui splendeat, unus et alter adsuitur pannus, ut proicit
ampullus! Paru-rient montes, nascetur ridiculus mus . Ein bißchen weitschweifend, aber wunderschön formuliert, findest du nicht?« Ich
habe keine Ahnung, warum er solche Fragen stellt. Ich blieb mit schlaff
herunterhängendem Kiefer sitzen, den Mund wie zum Fliegenfangen offen, während
der nächste Gefangene die letzten Worte eines jungen Beamten über sich ergehen
ließ und dann zum Hinrichtungsblock geschleppt wurde. Meister Li brachte seine
Lippen wieder dicht an mein Ohr.
    »Grob übersetzt heißt das:
Oft werden einem vielversprechenden Werk, das in ehrbarer Absicht zustande
kommt, ein paar leuchtend rote Tupfer aufgemalt, damit es farbiger wird, aber
werft den Farbtopf weg! Die Wehen eurer Berge bringen lediglich eine lachhaft
kleine Maus hervor . « »Sehr hübsch formuliert«,
sagte ich.
    »Das ist noch nicht alles«,
entgegnete Meister Li. »Es wird noch besser, wenn er auch nach wie vor mehr
Worte gebraucht als nötig und wie alle ungebildeten Schriftsteller seine Prosa
durch überflüssige Interpunktion beeinträchtigt. Ich bin fast versucht, Freund
Flaccus ein Nachschlagewerk über die chinesische Kunst der Kurzdichtung zu
schicken. Kennst du Li Pos Kurzes Lied?
    Erde zu groß
    Himmel zu fern
    Reite sechs Drachen
    Um den Nordstern
    Irre Drachen
sternhagelblau
    Wohlbekomm's!
    Denk nur, mein Junge,
welchen Gewinn es für den Stil des Barbaren bedeuten würde, wenn er die Technik
Li Pos studieren und sein Schreiben entsprechend abändern würde.
    Ehrbare Absicht
    Versprechen hoch
    Berge in Wehen
    Noch und noch
    Heraus kriecht Maus mit
roter Nase
    Wirf weg den Farbtopf ! «
    »Eine enorme Verbesserung«,
sagte ich.
    Ich habe vergessen, die
Getränkeverkäufer zu erwähnen. Diese Zeitgenossen sind fast die einzigen, die
ihre Ware nur mit ihrer Stimme anpreisen, und der Grund hierfür ist, daß jeder
einzelne von ihnen überzeugt ist, ein verkannter Star der Peking-Oper zu sein.
Einer dieser Kerle hatte sich hinter mich geschlichen und richtete sein weit
aufgerissenes Maul auf meine Ohren. Zusammen mit dem übrigen Lärm klang das so:
    »Sha la jen la !«
    »Hao! Hao! Hao !«
    »Hao tao !«
    »Erfrischungssäfte
eisekalt!
    Trink einen Schluck, der
zweite folgt bald!
    Zehn bar auf die Hand
und Hitze ade
    Mit dem Geschmack so
süß, aber kalt wie der Schnee-hee-hee.«
    »Wer hat sich mit meinen
seidenen Hosen aus dem Staub gemacht! Mein
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