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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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Entsetzen. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie war drauf und dran, in einem Schwächeanfall zu Boden zu sinken.
    »Muttergottes!«, flüsterte sie keuchend. »Lass mich jetzt bloß nicht schlappmachen.«
    Eine heftige Windböe fegte durchs Fenster über ihr schweißnasses Gesicht, und dann sah sie plötzlich unten, auf dem Brunnenplatz, eine dunkelgewandete Frau mit einem hohen, kegelförmigen Hut. Im Laufen hob sie den Kopf, sah Ursel am Fenster stehen und winkte ihr zu. Als die Frau näher kam, stockte der Hurenkönigin der Atem. Es war Irene! Und sie wollte ins Frauenhaus!
    Panische Angst erfüllte Ursel bis in die Haarspitzen. Ihre Gedanken rasten. Der grausame Mord an Uffsteiner war die Tat einer Bestie! Was soll ich nur tun? Wie kann ich mich gegen sie zur Wehr setzen?
    Sie fühlte sich viel zu schwach, um gegen Irene zu bestehen – und außer der schwerhörigen alten Köchin unten in der Küche war niemand im Hause, der ihr helfen konnte, die mutmaßliche Mörderin zu überwältigen.
    In Windeseile stopfte Ursel das Samtgewand und die herausgefallenen Kleidungsstücke von Ingrid zurück in die Truhe, stapelte mit bebenden Händen die Bücher auf den Truhendeckel, atmete tief durch und eilte die Treppe hinab, um Irene die Tür aufzumachen.
    Obwohl der Hurenkönigin die Knie schlotterten, bemühte sie sich mit aller Kraft, sich nichts anmerken zu lassen, als sie gleich darauf das Schloss entriegelte und Irene Auge in Auge gegenüberstand.
    »Grüß Gott«, sagte sie zu der jungen Ulmerin und trat beiseite, um sie eintreten zu lassen. »Ich habe dich erst gar nicht erkannt in deinem neuen Gewand.«
    »Gott zum Gruße, Hurenkönigin«, erwiderte Irene höflich.
    Ursels Blick fiel auf den Hennin auf Irenes aufgetürmten Haaren, dessen rauchgrauer Schleier an der Spitze fast bis zum Boden reichte. »Siehst ja aus wie ein Burgfräulein«, murmelte sie spöttisch.
    »Und wenn schon, mir gefällt es. Besser als das ewige Gelb«, erwiderte Irene trotzig und musterte die Gildemeisterin stirnrunzelnd. »Ihr seid ja ganz außer Atem … Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen, aber mir wurde vom Pförtner des ›Schwarzen Stern‹ ausgerichtet, dass Ihr mich sprechen wolltet.«
    »Ach so? Das war nicht so wichtig. Ich war nur gerade in der Nähe und wollte dich fragen, wann du gedenkst, euer restliches Gepäck abzuholen«, entgegnete Ursel keuchend. Ihr schlug das Herz immer noch bis zum Hals, und sie mühte sich vergebens, ihre Stimme nicht zu sehr zittern zu lassen.
    Auf Irenes ebenmäßigem Gesicht spiegelte sich Besorgnis. »Geht es Euch nicht gut, Zimmerin? Kann ich vielleicht helfen?«, erkundigte sie sich mitfühlend, um im nächsten Augenblick echauffiert in die zierlichen Hände zu klatschen und auszurufen: »Was für eine Frage! Wie konnte ich das nur vergessen!«
    Irenes kristallklare Augen schimmerten feucht, als sie Ursels Hand ergriff und mit tiefer Zerknirschung hervorstieß: »Es tut mir so unendlich leid, was Herrn von Wanebach zugestoßen ist! Wie konnte Mutter ihm nur so etwas antun?«
    Die Hurenkönigin musterte Irene eindringlich, und es war ihr mit einem Mal, als könnte sie auf dem Grunde ihrer sanften Engelaugen nichts anderes als abgrundtiefen Zynismus entdecken.
    War sie es auch, die Bernhard attackiert hatte?
    Die ungeheure Wut, die plötzlich in Ursel aufstieg, verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Ich werde dafür sorgen, dass du am Galgen baumelst, du Ungeheuer! , schwor sie sich. Ihre Schwäche war verflogen, und unversehens war sie ganz ruhig geworden.
    In einfühlsamem Tonfall fuhr Irene fort: »Wie ich hörte, hat er den Anschlag ja glücklicherweise überlebt. Wie geht es ihm denn?«
    »Danke der Nachfrage«, erwiderte die Hurenkönigin kühl und beschloss spontan, Irene ein wenig zu verunsichern. »Er ist auf dem Wege der Besserung. Es besteht Grund zur Hoffnung, dass er bald wieder aus der Ohnmacht erwacht.«
    Ursel ließ die junge Ulmerin dabei nicht aus den Augen und hatte den Eindruck, dass ihr Alabasterteint noch eine Nuance bleicher geworden war. Doch Irenes Kaltschnäuzigkeit gewann auch diesmal die Oberhand. »Das freut mich!«, flötete sie. »Ich wünsche Herrn von Wanebach alles Gute. Bestellt ihm bitte meine besten Genesungswünsche!« Sie streifte Ursel mit einem taxierenden Seitenblick, ehe sie sich der Treppe zuwandte und sagte: »Dann will ich Euch auch nicht länger aufhalten, ich hole nur rasch meine Sachen.«
    Die Hurenkönigin nickte und überlegte verzweifelt, was sie nun
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