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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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Lächeln. »Ich hoffe nur, das Geschäft läuft diesmal besser als bei der Herbstmesse. So wenig Kunden hatten wir noch nie …«
    »Kuck nur, da kommen schon wieder ein paar Auswärtige«, bemerkte Irmelin unwillig. »Wir sind doch schon voll bis unters Dach.«
    »Ja, mit Huren schon …«, sagte die Zimmerin und ließ ihren Blick verdrießlich durch die Schankstube schweifen, wo die Hübscherinnen deutlich in der Überzahl waren.
    Gleich darauf betraten zwei Frauen in gelbverbrämten Gewändern und mit schweren Tornistern auf den Rücken den Schankraum und schauten sich suchend um. Ihre Gesichter unter den weiten Kapuzen ihrer Mäntel waren vor Kälte gerötet.
    »Grüß Gott«, sagte die ältere von ihnen höflich und schlug die Kapuze zurück. »Wir suchen die Hurenkönigin Ursel Zimmer …«
    »Die bin ich.« Die Gildemeisterin erhob sich von ihrem Stuhl und ging auf die Besucherinnen zu.
    Beim Anblick von Ursel knicksten die Frauen ehrerbietig.
    »Mein Name ist Alma Deckinger – und das ist meine Tochter Irene«, sagte die Frau in Ursels Alter mit leicht schwäbischem Akzent. »Ich war in Ulm ebenfalls Frauenhauswirtin – bis sie es wegen der Geschlechterpest geschlossen haben. Und jetzt müssen wir als Wanderhuren über die Lande ziehen.« Alma hatte ungebändigtes rotblondes Haar, das von silbernen Strähnen durchwirkt war. Es gemahnte Ursel an eine Löwenmähne. Das Gesicht war sehr apart und mutete trotz feiner Fältchen um Mund und Augen alterslos an. Ihre Tochter Irene war von auffallender Schönheit. Sie lächelte Ursel so liebreizend an, dass es ihr ganz warm ums Herz wurde.
    Alma blickte die Hurenkönigin eindringlich an. »Wir wollten fragen, ob Ihr uns vielleicht Obdach gewähren könnt? Wenigstens während der Messe. Wir haben viel von Euch gehört, von Eurem Mut und Eurer Tapferkeit, wie Ihr im letzten Jahr die Hurenmorde aufgeklärt habt, und zollen Euch große Anerkennung.« Alma verneigte sich vor der Hurenkönigin und streckte ihr einen Strauß Schneeglöckchen entgegen. »Die sind für Euch, Gildemeisterin. Ein kleiner Frühlingsgruß – auch wenn der Winter noch nicht weichen mag«, sagte sie lächelnd.
    Ursel Zimmer nahm die Blumen und war gerührt. »Wie reizend, ich danke Euch! Setzt Euch doch auf die Ofenbank und wärmt Euch auf. Ihr könnt auch gerne einen heißen Würzwein trinken. – Nur leider muss ich Euch sagen, dass wir keinen Platz mehr haben. Alle freien Zimmer sind schon an auswärtige Huren vergeben. Tut mir leid, aber da hättet Ihr ein bisschen früher kommen müssen. Zur Messezeit strömen die ortsfremden Hübscherinnen doch scharenweise nach Frankfurt. Daran hat auch die Geschlechterpest nichts geändert.« Ursel schüttelte bedauernd den Kopf.
    Die beiden Frauen ließen sich enttäuscht auf der Ofenbank nieder. Die alte Irmelin, die seit dem Tod von Ursels bester Freundin Ingrid die Stellvertreterin der Gildemeisterin war, warf Ursel einen betretenen Blick zu und kredenzte den Besucherinnen die Getränke.
    Die Hurenkönigin sagte freundlich: »Ich stell nur rasch die Blumen ins Wasser, dann setze ich mich ein wenig zu Euch. Wir finden in Frankfurt schon noch eine geeignete Unterkunft für euch beide.«
    Als sie in die Küche ging, um eine Vase zu holen, folgte ihr Irmelin eilig. Ursel drehte sich zu ihr um und zog nachdenklich die Brauen hoch. »Du brauchst gar nichts zu sagen …«, murmelte sie zerknirscht. »Aber es geht nicht. Ich komme einfach nicht über ihren Tod hinweg, und ich kann es nicht ertragen, das Zimmer an jemand anderen zu vergeben.« Der Hurenkönigin waren unversehens Tränen in die Augen getreten.
    Die alte Irmelin trat auf Ursel zu und schloss sie in die Arme. »Wir trauern doch alle um Ingrid und auch um Rosi und Isolde. Es ist ja gerade ein halbes Jahr her, seit sie tot sind. – Doch so bitter das ist, Meistersen: Das Leben muss weitergehen. Auch wenn Ihr Ingrids Zimmer leerstehen lasst, sie wird trotzdem nicht mehr zurückkehren. Das ist halt nun mal so.«
    »Du hast ja recht«, entgegnete Ursel gepresst. »Vielleicht ist es doch langsam an der Zeit, das Zimmer wieder zu vergeben.«
    Seit ihre beste Freundin im letzten Sommer auf tragische Weise zu Tode gekommen war, war Ingrids Zimmer für Ursel ein Zufluchtsort gewesen. Besonders in der ersten Zeit nach Ingrids Tod hatte die Hurenkönigin dort häufig eine Kerze angezündet, an die Freundin gedacht und sich ihrer Trauer ergeben. Auch jetzt hielt sie sich noch gerne dort auf, stellte einen
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