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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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am Main?«, erkundigte er sich unversehens.
    Irmelin musste grinsen. »Das ist eine längere Geschichte«, sagte sie errötend.
    »Na, die will ich jetzt aber unbedingt hören!«, insistierte Ursel und schaute Irmelin erwartungsvoll an.
    Ursels Stellvertreterin streifte den Doktor und Frau Schütz, die ebenfalls aufmerksam lauschten, mit beschämten Blicken. »Ich weiß nicht, ob ich das vor einer Dame sagen darf«, murmelte sie verlegen.
    »Kind, ich bin ausgebildete Hebamme und Arztwitwe, mir ist nichts Menschliches fremd«, ermunterte sie Frau Schütz auf ihre offene Art.
    Irmelin seufzte. »Wenn ihr es unbedingt wissen wollt …«, erklärte sie und verdrehte die Augen. »Der Max und ich waren unten am Geistpförtchen gerade am Pimpern …«
    Obgleich Ursel noch die Tränen in den Augen standen, konnte sie nicht umhin, bei Irmelins Äußerung in schallendes Gelächter auszubrechen, in das alle einstimmten. Selbst Bernhards Zwerchfell bebte, auch wenn ihm das noch Schmerzen bereitete.
    »Jetzt bin ich wieder mitten im Leben!«, seufzte die Hurenkönigin glücklich.

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Epilog
    Am Dienstagmorgen nach Ostern wollte sich Ursel gerade auf den Weg ins Heiliggeistspital machen, um Bernhard abzuholen. Er war inzwischen so weit genesen, dass er entlassen werden konnte. Sie zog soeben den grauen Umhang an, als sie das durchdringende Geräusch des Türklopfers vernahm.
    Als sie die Tür öffnete, traute sie ihren Augen kaum: Die grauhaarige alte Frau, die ausgemergelt wie eine Bettlerin vor dem Frauenhaus stand, war Alma.
    Am liebsten hätte die Hurenkönigin die Tür wieder zugeworfen, doch der verzweifelte Ausdruck in Almas Augen, die einst so stolz und unerbittlich in die Welt geblickt hatten, berührte sie.
    Sie sei gekommen, um Ursel ein letztes Mal um Verzeihung zu bitten, sagte Alma mit leiser Stimme, auch wenn es im Grunde unverzeihlich sei, was Ursel und Bernhard widerfahren sei. Die Schuld an allem trage jedoch nicht Irene, sondern sie, Alma, ganz allein. Sie habe so unendlich gefehlt.
    Irene sei nun tot, und sie habe alles verloren, was ihrem Leben einen Sinn gebe. Anstatt auch sie wie ihre Tochter im Main zu ertränken, habe man sie aufgrund des Gottesurteils begnadigt. Ihre Brandwunden seien bereits am Abheilen, und so habe man sie heute aus der Haft entlassen.
    Obwohl es ihr sehr schwerfalle, werde sie sich nicht gestatten, dem Lebensüberdruss nachzugeben. Sie werde in sich gehen und sich ihren Verfehlungen stellen – das sei sie ihrer Tochter, aber auch der Großen Mutter und dem Orden der Venusschwestern schuldig.
    Unversehens zog Alma einen Lederbeutel aus der Tasche und übergab ihn der Hurenkönigin. Irene habe ihr viel Geld hinterlassen, erläuterte sie. Ursel solle es in Verwahrung nehmen und für Huren verwenden, die bedürftig seien. Sie selbst benötige es nicht, sie habe sich ein knappes Zehrgeld davon zurückbehalten, um unterwegs nicht ganz mittellos zu sein. Dann erklärte Alma, dass sie nach Norden ziehen werde, bis ans Meer. Denn nirgendwo sei die große Göttin gegenwärtiger als an der endlos weiten See. Dort werde sie innere Einkehr halten und darauf hoffen, dass die Große Mutter ihr dereinst den Weg aus der Finsternis weisen werde.
    Zum Abschied küsste Alma der Hurenkönigin die Hand.
    Nachdem Bernhard von Wanebach aus dem Spital entlassen worden war, erholte er sich gemeinsam mit Ursel auf seinem Landsitz oberhalb des Örtchens Bornheim. Es war für beide eine glückliche Zeit, in der sie wieder vollends zueinanderfanden. Ihre Liebe hatte durch die schwere Krise zwar keinen Schaden genommen, die unglückseligen Ereignisse der vergangenen Wochen hatten sie jedoch gelehrt, wie zerbrechlich das Glück war – und sie begegneten einander mit großer Behutsamkeit.
    Mitte April öffnete das Frauenhaus am Dempelbrunnen wieder seine Pforten, und alles ging seinen gewohnten Gang – mit Ausnahme von Irmelin, die schon im Mai ihren Dienst als Hübscherin quittierte, um nur noch für ihren Geliebten da zu sein. Fortan begleitete sie den Fuhrknecht Max Färber auf seinen langen Fahrten übers Land, umsorgte ihn und gab dem unsteten jungen Mann einen Halt. So hatte die dienstälteste Hure des Frauenhauses am Dempelbrunnen unversehens ihre Erfüllung gefunden.
    Wann immer Max und Irmelin in Frankfurt weilten, besuchten sie Bernhard und die Hurenkönigin. Und obwohl sich Ursel und Irmelin nur noch selten sahen, verband die beiden Frauen doch eine innige lebenslange
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