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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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Frosch im Halse steckte. »Ihr … Ihr wollt damit sagen, dass Ihr Eurer Mutter die Tat in die Schuhe schieben wolltet?«, fragte er heiser.
    Irene sah ihn eindringlich an. In ihren hellen Augen glitzerten Tränen. Dann entfuhr es ihr: »Ich habe mir so sehr gewünscht, meine Mutter loszuwerden, damit ich endlich mein verhasstes Gewerbe aufgeben kann!« Aufstöhnend barg sie das Gesicht in den Händen.
    Fauerbach, dem es ganz flau im Magen geworden war, trat an die junge Frau heran und gab sich alle Mühe, eine respektable Haltung einzunehmen. »Wollt Ihr uns etwa glauben machen, Eure Mutter hätte Euch dazu gezwungen, dem Hurengewerbe nachzugehen?«, fragte er mit skeptisch gerunzelten Brauen. »Wie kann das sein? Ihr seid schließlich eine erwachsene Frau …«
    Irene nahm die Hände vom Gesicht und blickte ihn aus tränenverschleierten Augen an. »Meine Mutter und mein Schicksal haben mir nie eine andere Wahl gelassen«, erwiderte sie mit bebender Stimme. »Ich wurde in eine Hurenfamilie hineingeboren, die sich in der Tradition der antiken Venuspriesterinnen sieht.« Sie lächelte bitter. »Hinzu kam noch, dass ich durch meine verfluchte Schönheit für dieses Gewerbe wie geschaffen war. Wie auch immer, schon mit zwölf Jahren führte mich meine Mutter dem ersten Freier zu und drängte mich dabei in die Rolle der ewigen Verführerin. Ich genoss es zwar, Macht über die Männer zu haben, doch gleichzeitig hasste ich auch ihre Lüsternheit, die mich mit unbändigem Abscheu erfüllte.« Irenes Gesicht verzerrte sich vor Ekel, während weiterhin Tränen über ihre Wangen strömten. Ihr Blick war auf Alma gerichtet und schien sie nun förmlich zu durchbohren. Ihre Gleichgültigkeit war abgrundtiefer Feindseligkeit gewichen. »Was habe ich dich dafür gehasst, dass du mich zu diesen widerlichen Kerlen gezwungen hast!«, schrie sie außer sich. Ihr Alabasterteint war mit roten Zornflecken durchzogen. »Und du hast es einfach ignoriert und warst auch noch stolz darauf, wenn die Freier nicht genug von mir kriegen konnten! ›Sieht sie nicht aus wie die Göttin der Liebe …‹«, äffte Irene ihre Mutter nach, die sie wie vom Donner gerührt anstarrte. »Ich war dir immer eine folgsame Tochter und habe mich in alles gefügt, was du mir aufgebürdet hast. Doch glaube mir, ich habe dabei gelitten wie ein Tier. Und du warst taub für mein stummes Aufbegehren, du hast es noch nicht einmal gemerkt!« Abrupt wandte sie den Kopf ab und sah das Tribunal an. »Mit der Zeit wurde mein Widerstand immer heftiger – und gefährlicher .«
    Ein maliziöses Lächeln glitt über Irenes Gesicht. »Schon lange hatte ich Mordphantasien in Bezug auf meine Freier«, gestand sie und musste unversehens kichern. »Was habe ich mir immer alles ausgemalt, während sie auf mir lagen, diese geilen Säcke! Ich glaube, kein Mensch vermag sich das vorzustellen.« Sie leckte sich lüstern über die Rosenlippen, und ihr Blick hatte mit einem Mal etwas Diabolisches. »Und so wurde aus der Göttin der Liebe allmählich eine Königin der Schatten. Ich kann gar nicht sagen, wie befreiend es für mich war, auf diesen widerlichen Fettwanst einzustechen!« Auf Irenes ebenmäßigen Zügen spiegelte sich reine Verzückung. In diesem Moment mutete sie an wie eine Heilige in religiöser Versenkung – wäre der Ausdruck ihrer Augen nicht so abgrundtief dämonisch gewesen.
    Den Herren des Straftribunals stockte förmlich das Blut in den Adern.
    »Was für ein Scheusal!«, murmelte der Bürgermeister beklommen.
    »Jetzt weiß ich auch, warum es bisweilen heißt, der Satan sei schön …«, raunte ihm sein Freund Johann Fichard zu und bekreuzigte sich.
    Ein anderer Ratsherr rief bestürzt: »Herr im Himmel, das ist ja die reinste Irrsinnige!«
    »Eine Irrsinnige mit glasklarem Verstand«, bemerkte der Untersuchungsrichter mit finsterer Miene. »Und das macht sie umso gefährlicher. Mit der bestialischen Tat hat sich nicht nur ihr lange aufgestauter Männerhass Bahn gebrochen, sondern sie hat auch mit eiskalter Berechnung versucht, ihrer Mutter die Tat in die Schuhe zu schieben.«
    Irene warf ihm einen kühlen Blick zu und erklärte schnippisch: »Das sagte ich ja bereits!«
    »Was ich nicht ganz verstehe …«, meldete sich plötzlich der Patrizier Claus Stalburg zu Wort, der als sehr gelehrt galt, und musterte Irene nachdenklich. »Wenn Euch Euer Gewerbe derart verhasst war – was ich im Übrigen sehr gut nachvollziehen kann – , warum seid Ihr dann nicht einfach
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