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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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überstandenen Schrecken wieder zurück. Die entsetzlichen Wahngebilde, die sie heimgesucht hatten, das schauerliche Antlitz der Königin der Schatten! Doch die Wirklichkeit war tausendmal schrecklicher gewesen: Irene, die ihr mit dem Dolch in der Hand nach dem Leben trachtete und ihren Kopf mit eisernem Griff unter Wasser drückte …
    »Es ist alles gut, mein Herz, du brauchst keine Angst mehr zu haben«, sagte Bernhard besänftigend.
    Der Hurenkönigin fiel auf, wie leise er sprach, obwohl er sie liebevoll anstrahlte, wirkte er noch sehr mitgenommen. Zwar fühlte sie sich selbst noch völlig entkräftet, doch die Sorge um den Geliebten gewann sogleich die Oberhand.
    »Wie geht es dir, mein Liebster?«, fragte Ursel und musterte den Gelehrten mit zärtlicher Besorgnis.
    »Mir könnte es kaum besser gehen – jetzt, wo du wieder bei mir bist …«, flüsterte Bernhard mit verschmitztem Lächeln.
    Der Hurenkönigin versagte vor Ergriffenheit die Stimme. Sie drückte Bernhards Hand und weinte.

    »Ich habe ihr etwas Malvasier-Wein mitgebracht. Der wird sie beruhigen und stärken«, sagte Frau Schütz zu ihrem Sohn, als sie sich dem abgeteilten Bereich in der Ecke des Krankensaals näherten, hinter dem sich die Betten von Ursel und Bernhard befanden.
    »Das wird ihr bestimmt guttun. Ich habe ihr heute Morgen eine Opiumtinktur gegeben, weil sie immer noch so schlimm halluziniert hat. Und dann hat sie bis zum späten Nachmittag geschlafen.« Der Arzt schob die Trennwand beiseite.
    Ursel und Bernhard blinzelten den Eintretenden verschlafen entgegen, doch sie hielten einander noch immer an den Händen.
    Der Doktor erkundigte sich bei den Patienten nach ihrem Befinden und lächelte zufrieden, als beide bekundeten, es gehe ihnen gut.
    Während der Arzt Bernhards Stirn befühlte und erfreut konstatierte, dass er heute den ersten Tag fieberfrei sei, wandte sich Frau Schütz der Hurenkönigin zu und begrüßte sie herzlich. Als Ursel begann, ihr aufgeregte Fragen zu stellen, ließ sich die alte Dame auf einem Hocker am Bett nieder und berichtete ausführlich, was der Hurenkönigin in der Nacht widerfahren war. Ursel und auch Bernhard – dem bislang nur Bruchstücke der Ereignisse zu Ohren gekommen waren – lauschten ihr gespannt.
    Als Frau Schütz erwähnte, dass die alte Irmelin und ihr Begleiter Ursel das Leben gerettet hatten, kamen der Hurenkönigin die Tränen.
    »Wo ist Irmelin? Ich möchte ihr danken …«, sagte sie mit schwacher Stimme.
    »Sie hat die ganze Nacht und den halben Tag an Eurem Bett gesessen«, entgegnete der Arzt. »Sie wollte gegen Abend wiederkommen, genau wie all die anderen Besucher, die im Laufe des Tages nach Euch gefragt haben. Einige haben sogar Geschenke hinterlassen. Sie müssten eigentlich in der Küche stehen …«
    Da waren plötzlich gedämpfte Schritte zu vernehmen, die alte Irmelin steckte den Kopf durch die Tür und fragte höflich, ob sie eintreten dürfe.
    Ursel strahlte bei ihrem Anblick. »Komm her!«, stieß sie hervor und breitete die Arme aus.
    Während sie die Dienstälteste an sich drückte und küsste, murmelte sie unter Tränen: »Ich verdanke dir mein Leben …«
    Irmelin war tief bewegt. »Alleine hätte ich das nie geschafft«, erwiderte sie und wies auf den jungen Mann, der hinter ihr eingetreten war und nun etwas verloren an der Seite stand. Die Hurenkönigin hatte ihn noch gar nicht bemerkt.
    »Das ist der Max, mein tapferer Helfer«, stellte Irmelin den schmucken Burschen der Hurenkönigin vor und legte liebevoll den Arm um ihn. »Ohne ihn hätte ich dich nie aus dem Hafenbecken fischen können, und dann wärst du jämmerlich ertrunken«, erzählte sie mit bebender Stimme.
    Ursel ergriff die schwielige Hand des Mannes und dankte ihm aufrichtig.
    »Ich hab Euch ja bloß aus dem Wasser gezogen«, erwiderte der Fuhrknecht. »Ihr wart schon so gut wie tot, ganz bleich und leblos«, er räusperte sich und blickte zu Irmelin. »Sie hat Euch regelrecht von den Toten erweckt!« Er schluckte, und die Bewunderung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Das war schon zum Steinerweichen, wie sie sich um Euch bemüht hat … So was hab ich noch nicht erlebt. Sie hat alles für Euch gegeben!«
    Ursel war so überwältigt, dass sie Irmelin und den Fuhrknecht in die Arme schloss und lange an sich drückte.
    »Was für ein Glück, dass ihr in der Nähe wart«, durchbrach Bernhard das Schweigen. »Das hat der Himmel so gefügt! Was wolltet ihr eigentlich bei Nacht und Nebel unten
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