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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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sein Pult zurück. Obgleich er dem weiblichen Geschlecht nur wenig zugetan war, konnte er, genau wie der Bürgermeister und die Ratsherren, seinen Blick kaum von der schönen Frau lösen. Hoch aufgerichtet stand sie da, und in ihrer kühlen Beherrschung glich sie beinahe einer Marmorstatue.
    Als wenig später der Scharfrichter mit der in Ketten gelegten Alma zurückkehrte, die einen sehr versehrten Eindruck machte, verzog Irene keine Miene.
    »Mein Mädchen!«, stieß Alma beim Anblick ihrer Tochter hervor und brach in Tränen aus.
    Irene blieb davon jedoch gänzlich unbeeindruckt und erklärte stattdessen in sachlichem Tonfall: »Ich werde der Ordnung halber am besten chronologisch berichten.«
    »Nur zu, ich erteile Euch hiermit das Wort«, verkündete Fauerbach mit belegter Stimme.
    »Ich war es, und nicht meine Mutter, die im letzten Jahr die Kastration an unserem jungen Ordensbruder vollzogen hat«, begann Irene mit Nachdruck.
    »Das stimmt nicht!«, fiel ihr Alma erregt ins Wort, doch Irene würdigte sie keines Blickes. Kühl fuhr sie fort: »Spar dir deine Lügen, Mutter! Du brauchst mich nicht mehr zu schützen. Es ist ohnehin alles verloren, denn gestern Nacht hat man mich dabei ertappt, wie ich versucht habe, deine Busenfreundin zu ertränken.«
    Als Alma verzweifelt aufschrie, glitt ein flüchtiges Lächeln über Irenes Züge, ganz so, als bereite es ihr Vergnügen, die Mutter zu verletzen. Doch gleich darauf wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Richter und den versammelten Ratsherren zu. »Die Kastraten nennt man bei uns ›die ewig Keuschen‹ oder auch ›die im Frieden sind‹«, erläuterte sie mit unverhohlenem Zynismus in der Stimme. »Sie sind fortan keinen Anfechtungen mehr ausgesetzt. Deshalb hat mir diese ehrenvolle Aufgabe als Priesterin auch so große Freude bereitet. ›Irene‹ bedeutet nämlich ›Frieden‹, und in diesem Sinne sehe ich mich als eine Friedensbringerin. Nichts anderes habe ich auch Herrn Uffsteiner beschert – ich habe ihn von seinem Trieb erlöst.«
    Irene hatte diese Worte mit einer so eisigen Klarheit geäußert, dass selbst die abgeklärten Magistratsmitglieder ein Schauder überlief. Wortreich bekundeten die würdevollen Herren in ihren schwarzen Amtstalaren ihr Entsetzen.
    Irene nahm den Aufruhr mit heiterer Gelassenheit zur Kenntnis. »Der Vollständigkeit halber sollte ich vielleicht erwähnen, dass Herr Uffsteiner nach dem Vorfall im Frauenhaus noch einmal im Trierischen Hofe vorstellig wurde, um sich bei Herrn von Fugger zu entschuldigen. Der Freiherr erwiderte daraufhin nur, die Entschuldigung gebühre der Dame.«
    Die Stimme der jungen Hübscherin zitterte leicht, als sie weitersprach: »Der Senator hat mich nur verächtlich angeblickt und gesagt, er sehe keine Dame. Dann ist er wieder gegangen. Er konnte nicht ahnen, dass er mit diesem Satz sein Todesurteil besiegelte …« Ihr entrang sich ein düsteres Lachen.
    Dann beschrieb Irene dem Straftribunal in kühlen Worten, was anschließend geschehen war. »Fugger war zu diesem Zeitpunkt schon sehr müde und betrunken und hat sich gleich zu Bett begeben. Als ich sein Schnarchen vernahm, habe ich kurzerhand das Obstmesser vom Tisch genommen und bin Uffsteiner gefolgt.« Die junge Hübscherin lächelte versonnen, sie schien alles noch einmal zu durchleben. »Ich habe unzählige Male mit dem Messer auf ihn eingestochen, bis er zu Boden sank. Dennoch hat er noch gelebt und laut gestöhnt, als ich ihm sein Gemächt abgeschnitten habe. Erst nachdem ich es ihm in den Rachen gestopft habe, war endlich Ruhe.«
    Alma stöhnte gequält auf. »Das kann doch nicht wahr sein!«, stammelte sie fassungslos.
    Zum ersten Mal, seit Alma in den Verhörraum geführt worden war, sah Irene ihre Mutter an. Aus ihrem Blick sprach eine derartige Gleichgültigkeit, dass der Richter sich nicht mehr zurückhalten konnte. »So etwas Kaltschnäuziges habe ich noch nicht erlebt!«, stieß er entsetzt hervor.
    Irene ignorierte seine Äußerung und fixierte weiterhin die auf dem Boden kauernde Alma. »Doch, Mutter, es ist die Wahrheit. Das habe ich nicht zuletzt auch deswegen getan, weil du kurz zuvor gedroht hattest, ihm die Eier abzuschneiden. Mir war klar, dass man dich zuerst verdächtigen würde.«
    Alma schrie gepeinigt auf und schlug wie von Sinnen mit dem Kopf auf den Dielenboden, bis der Henker ihr seine starke Hand in den Nacken drückte.
    Fauerbach musste sich mehrfach räuspern, um seine Beklommenheit loszuwerden, die ihm wie ein
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