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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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sich zu dem jungen Mann um und stammelte panisch: »Schnell, komm her, du musst ihn rausholen!«
    Der Fuhrknecht sprang ihr sofort bei. Mit einem festen Ruck seiner starken Arme zog er gemeinsam mit Irmelin den leblosen Körper aus dem Wasser und legte ihn auf die Kaimauer.
    »Das ist ja die Meistersen!«, rief Irmelin außer sich, als sie das bleiche Gesicht der Hurenkönigin gewahrte. Sie hielt ihr Ohr an Ursels Mund und stieß verzweifelt hervor: »Sie atmet nicht mehr!«
    Sofort presste sie ihre Hände auf Ursels Brust und drückte heftig dagegen, immer wieder und wieder. Dabei schluchzte sie lauthals: »Bitte, Meistersen, tu mir das nicht an!«
    Der Fuhrknecht, der ihre vergeblichen Versuche mit ernster Miene verfolgte, murmelte tonlos: »Das wird nichts mehr …«
    Irmelin schrie auf. »Nein, das darf nicht sein! Komm zurück, Ursel! Komm zurück!«
    Wie eine Besessene stieß sie beide Fäuste immer wieder fest gegen Ursels Oberkörper und hörte, obgleich sie schon ganz heiser war, nicht auf, die Leblose aufs Inbrünstigste anzuflehen, doch wieder ins Leben zurückzukehren. Ihre heißen Tränen tropften auf Ursels Gesicht, und sie stammelte ein ums andere Mal: »Du kannst doch nicht einfach sterben, du bist doch mein Ein und Alles!«
    Der junge Mann räusperte sich ergriffen und legte tröstend den Arm um Irmelins Schultern. »Lass gut sein, sie wacht nicht mehr auf …«, sagte er sanft, doch Irmelin ließ sich nicht davon abbringen, weiter Ursels Oberkörper zu bearbeiten.
    Obwohl ihre Hoffnung zunehmend schwand, so konnte sie sich doch nicht damit abfinden, Ursel zu verlieren, und sie schrie ihre Verzweiflung in die Nacht hinaus.
    Mit einem Mal nieste die Hurenkönigin heftig, und im nächsten Moment quoll ein großer Schwall Wasser aus ihrem Mund.
    Sogleich drehten Irmelin und der Fuhrknecht ihren Körper auf die Seite, und sie erbrach in krampfartigen Schüben Unmengen von Wasser, ehe sie Irmelins Hand ergriff und entkräftet auf den Boden sank.

13
    Mittwoch, 4 . April 1512
    Wie ein Lauffeuer hatte sich in Frankfurt herumgesprochen, dass die schöne Hübscherin aus Ulm in der vergangenen Nacht versucht hatte, die Hurenkönigin Ursel Zimmer umzubringen. Und damit nicht genug, die anmutige junge Frau mit dem Gesicht eines Engels war auch dringend verdächtig, die grausame Bluttat an Senator Uffsteiner sowie einen Mordversuch an dem Gelehrten Bernhard von Wanebach verübt zu haben.
    Bald machten die Neuigkeiten auch unter dem Personal der Fürstenherberge »Zum Trierischen Hof« die Runde, wo sich die besagte Hübscherin in der Mordnacht gemeinsam mit Herrn von Fugger aufgehalten hatte. Der Hausdiener Reginald Dietz entschloss sich daraufhin, umgehend die Polizeiwache im Leinwandhaus aufzusuchen.
    Um die elfte Vormittagsstunde wurde er dort vorstellig und erklärte dem Untersuchungsrichter, er habe in der Mordnacht im Trierischen Hof den Nachtdienst versehen und wünsche dazu eine Aussage zu machen. Obgleich Richter Fauerbach wegen des für die erste Nachmittagsstunde angesetzten Verhörs der Verdächtigen Irene Deckinger schon reichlich aufgeregt war, wurde er doch sofort hellhörig und zückte eifrig seine Feder, um alles zu protokollieren.
    »Ich habe damals nicht gewusst, dass das von Bedeutung sein könnte, weil es ja hieß, die Mörderin von Herrn Senator Uffsteiner sei bereits überführt«, bemerkte der grauhaarige Mann betreten. »Und es schien ja auch den Herrn Bürgermeister nicht weiter zu interessieren, als er damals bei uns vorstellig wurde, um mit dem Herrn von Fugger zu sprechen … Äh, ich meine, er hat das Hotelpersonal ja gar nicht befragt, ob uns in dieser Nacht vielleicht irgendetwas aufgefallen ist. Deswegen habe ich mir auch gedacht, da halte ich mich am besten zurück …« Der ältliche Hausdiener lächelte verlegen.
    Untersuchungsrichter Fauerbach sah ihn ungeduldig an. Die Wende, die der Fall so plötzlich genommen hatte, war durchaus von Vorteil für ihn. Wenn Irene Deckinger für die Taten verantwortlich war und nicht ihre Mutter, dann konnte man ihm auch nicht anlasten, die Mörderin voreilig auf freien Fuß gesetzt zu haben. Daher wartete er begierig auf jeden neuen Beweis, und nun platzte er förmlich vor Neugier. »Jetzt sagt doch endlich, was Sache ist!«, schnaubte er unwirsch.
    Der hagere Hausdiener zuckte zusammen und suchte sich zu sammeln. »Also … der Herr Senator Uffsteiner war ja in der Nacht, in der er umgebracht worden ist, noch in unserem Hause. Er wünschte
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