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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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inbrünstig.
    Mit einem Mal nahm sie in ihrer Nähe eine Bewegung wahr. Sofort flackerte Hoffnung in ihr auf. Ein Gassenmeister vielleicht oder der Nachtwächter?
    Mit dem Mut der Verzweiflung rappelte sich die Hurenkönigin auf und eilte ihrem Retter entgegen.
    Plötzlich hörte sie ein leises Kichern, und sie erstarrte. Da wandte sich die graue Schattengestalt vor ihr um, und fassungslos blickte sie in das bleiche, vor Hohn verzerrte Gesicht von Irene. Was Ursel sah, war eine Schreckensvision, eine monströse Harpyie mit grässlichen, rot leuchtenden Augen – nur diesmal war sie Wirklichkeit!
    »Du hast nach mir gerufen?«, flüsterte die schlanke junge Frau im dunklen Kleid und kam lauernd auf Ursel zu. In der Hand hielt sie einen Dolch.

    Die alte Irmelin runzelte missmutig die Stirn. »Wo nur die Meistersen bleibt?«, sagte sie zur roten Mäu und zur Jennischen Marie, die schweigend an Bernhards Krankenbett standen und die Dienstälteste ratlos anblickten.
    »Vielleicht hat sie sich ja noch mal hingelegt. So erschöpft, wie sie war«, erwiderte die Jennischen Marie nachdenklich und nestelte nervös an ihren silbernen Ohrgehängen.
    »Das glaub ich nicht«, widersprach Irmelin. »Es hat doch schon zur achten Stunde geschlagen. Sie wollte längst wieder hier sein.« Die rote Mäu stimmte ihr zu.
    Irmelin stöhnte auf. »Vielleicht ist was passiert«, sagte sie aufgeregt. »Dass sie unterwegs zusammengeklappt ist oder so was. Das verkraftet doch keiner, was sie in den letzten Tagen mitgemacht hat.«
    Ihr Blick fiel auf den schlafenden Bernhard, und ihre düstere Miene hellte sich ein wenig auf. »Gott sei Dank geht es Herrn von Wanebach schon etwas besser. Der Doktor hat gesagt, wenn das Fieber weiter fällt, ist er bald überm Berg.« Sie sah hinüber zu dem kleinen Nachttisch, auf dem ein Glas Waldhonig, ein Früchtebrot und eine kleine Korbflasche mit Würzwein standen. Die Huren hatten die Präsente für Bernhard mitgebracht, doch der war noch nicht in der Lage, von ihnen zu kosten.
    »Ich sage der Hospitalvorsteherin Bescheid, dass die Sachen für den Patienten bestimmt sind. Nicht dass sich noch eine von den Siechenmägden daran vergreift«, murmelte Irmelin. Ihr Ingrimm gegenüber den Krankenmägden lag vor allem darin begründet, dass diese den drei Hübscherinnen mit unverhohlener Geringschätzung begegneten. Irmelin sah sich nach der Vorsteherin um, und als sie die ältere Frau mit der gestärkten weißen Flügelhaube und den strengen Gesichtszügen am anderen Ende des weitläufigen Krankensaals bemerkte, schlug sie vor, zu ihr zu gehen und dann aufzubrechen.
    Nachdem die Obersiechenmagd zugesagt hatte, sie werde dafür Sorge tragen, dass die Mitbringsel dem Patienten auch zugutekämen, verließen die gelbgewandeten Frauen unter den abschätzigen Blicken einiger Kranker das Hospital zum Heiligen Geist und durchquerten die Friedbergergasse. Im dichten Nebel gewahrten sie die Umrisse einer Frau, die ihnen entgegenkam.
    »Das wird sie sein, die Meistersen«, sagte Irmelin erleichtert und beschleunigte ihre Schritte. Beim Näherkommen erkannte sie jedoch, dass die Frau, die einen Korb in der Hand trug, nicht Ursel, sondern die Köchin Bertha war.
    »Ach, Ihr seid es«, entfuhr es der Dienstältesten enttäuscht.
    Die alte Frau begrüßte die Hübscherinnen kurzatmig und erklärte, die Hurenkönigin habe sie gebeten, Bernhard eine Hühnerbrühe ins Spital zu bringen.
    »Und wo ist die Meistersen?«, erkundigte sich Irmelin stirnrunzelnd. Sie musste die Frage mit lauter Stimme wiederholen, bis Bertha sie verstand.
    »Die war so müde und hat sich ein bisschen aufs Ohr gelegt«, entgegnete die Köchin schließlich.
    »Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Irmelin schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Doch, doch«, beharrte die alte Frau und entfernte sich mit der Bemerkung, die Suppe werde kalt.
    »Das hätt ich jetzt nicht gedacht«, murmelte Irmelin vor sich hin. »Versteh einer die Meistersen … Aber vielleicht hat sie ja recht, dass sie sich endlich mal ein bisschen schont, denn irgendwann kann man einfach nicht mehr …« Die beiden anderen Huren stimmten ihr mit verstörten Mienen zu.
    Einsilbig passierten die drei wenig später die Fahrgasse und liefen über den menschenleeren Weckmarkt in die angrenzende Saalgasse. Als sie am Ende der Gasse die beleuchteten Fenster einer Gastwirtschaft gewahrten, schlug Irmelin vor, dort noch einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen. Die Jennischen Marie und die rote Mäu
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