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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle
Autoren: Brigitte Riebe
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Vorstellungen viel Platz einräumte. Überdies verlieh das neue Medium des Buchdrucks dem Glauben an die geheime Hexensekte, deren Adepten die christliche Gemeinschaft verlassen, Gott abgeschworen und einen durch Geschlechtsverkehr mit dem Teufel besiegelten Pakt geschlossen hatten, zusätzlichen Auftrieb. Durch Predigten, Flugschriften und Einblattdrucke erlebten Hexendarstellungen ab 1500 erstmals einen regelrechten Boom. Das intensive Suchen und Befragen »erschuf« die Hexen gleichsam aus dem Nichts. Eine fatale und über Jahrhunderte reichende Rolle spielte dabei der so genannte »Hexenhammer« von 1486, der, verfasst von einem Dominikaner, in unzähligen Auflagen in Klosterbibliotheken, Gerichte und Amtsstuben wandern sollte.
     
    Die Konfession der Gerichtsherren spielte für die latente Bereitschaft, Hexenprozesse zu führen bzw. zuzulassen, offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend scheint viel eher die herrschaftliche und gerichtsrechtliche Zersplitterung eines Gebietes gewesen zu sein. Kleinere und mittlere geistliche und weltliche Sprengel stehen deshalb an der Spitze, während Flächenstaaten, in denen die lokalen Gerichte eingebunden waren in einen von gelehrten Juristen kontrollierten Instanzenweg, weit weniger Hexenjagden erlebten.
    Ohne Zweifel sind der europäischen Hexenverfolgung mehrheitlich Frauen zum Opfer gefallen, wenngleich man konstatieren muss, dass jede vierte »Hexe« ein Mann war und ein erstaunlicher Prozentsatz aller Verurteilten unter zwanzig Jahre war. Beim Verdacht dieses schwersten aller Verbrechen war der Rechtsschutz der »Carolina«, des Strafrechts von 1532, das sonst Kinder bis zum 14. Lebensjahrals strafunmündig erklärte, außer Kraft gesetzt. Selbst dreijährige Kinder konnten als Hexe angeschwärzt, angeklagt, verurteilt und getötet werden.
    Formal bediente man sich dabei des Inquisitionsprozesses, wenngleich mehr und mehr die weltliche Gerichtsbarkeit das Verfahren durchführte. Aber die Berufung auf diese Prozessart hieß: keine Verteidigung, Anklage aufgrund von (nicht genannter) Denunziation, Anwendung der Folter. In den meisten Fällen stand das Urteil bereits mit der Anklage fest. Perfiderweise musste der »Delinquent« bzw. seine Erben die Verursacher seiner Pein auch noch bezahlen: Verpflegung für die Hexenkommissare und den Scharfrichter, der zudem jede einzelne Folteranwendung abrechnen konnte, sowie die Holzkosten für die Verbrennung (!). Natürlich wurde das Vermögen eingezogen (falls vorhanden) und der weltlichen bzw. geistlichen Obrigkeit zugeschlagen.

Der »Brenner« von Bamberg oder: »Was hast du zu hoffen gewagt, Unselige …«
    Mit der Missernte des Jahres 1626 begann in Bayern und Franken eine bis 1630 andauernde Dauerkrise. In jener Zeit lagen die Getreidepreise mehr als hundert Prozent höher als in Normaljahren. Extreme Hungersnot war die Folge. Die Pest wütete wie selten zuvor; die Bevölkerungszahl sank stellenweise auf die Hälfte ab. In diesen Krisenjahren erreichten die Hexenverfolgungen in Deutschland ihren Höhepunkt.
    In Bamberg kann der Weihbischof Friedrich Förner (1568— 1630) als Spiritus Rector der Hexenjustiz gelten. Eingeleitet mit dem »Mandat gegen Zauberer« von 1610, wurden bereits 1616/17 in Bamberg an die dreihundert Menschen verbrannt. Die zweite, noch gewaltigere Welle von Hexenverbrennungen folgte von 1626—1630. Sechshundert Menschen fielen ihr zum Opfer, interessanterweise zu Beginn fast zwei Drittel der Ratsherren, bis schließlich der Kaiser selber 1630 das Ende herbeiführte.

Fiktives und Wahres
    In diesem Klima ist mein Roman »Die Hüterin der Quelle« angesiedelt, der im Jahr 1626 spielt, also dem Jahr, in dem die zweite große Hexenprozesswelle beginnt. Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, eines der historischen Hexenschicksale nachzuerzählen – aus verschiedenen Gründen.
    Zum einen hat Britta Gehm mit ihrer Dissertation »Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg« (2000) eine gewissenhafte Dokumentation vorgelegt, die leicht lesbar und verständlich ist. Zum anderen scheitern meines Erachtens die meisten Romane mit dem Thema »Hexe« an vorgegebenen Klischees. Dazu kommt, dass die tatsächliche Folter-und Hinrichtungspraxis so grausam war, dass an einer literarischen Ausschmückung allenfalls Sadisten Freude finden können.
    Mich hat an diesem Thema interessiert, wie sich die Stimmung in einer Stadt dreht, wie bislang selbstverständlich Geduldetes plötzlich auf Ablehnung stößt,
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