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Die Hölle lacht

Titel: Die Hölle lacht
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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kamen zu einer Frau – wenn die Frauen sich überhaupt nehmen ließen, denn mehr als ein Bursche war schreiend durch die Nacht gerannt und weinend durch den Wald gelaufen, mit den Händen auf dem blutigen Beinkleid, nachdem er versucht hatte, sich einer Frau nicht gerade aus Liebe aufzudrängen.
    Stämme hatten sich auf der Insel gebildet, und das Gebiet war aufgeteilt worden. Einige Teile von Os Harku waren reines Sumpfland. Hier hausten die Ausgestoßenen der Ausgestoßenen – jene, die um ihr Leben fürchteten oder aus irgendwelchen anderen, nur ihnen bekannten Gründen die Einsamkeit suchten. In anderen Teilen gab es Teiche oder Bäche mit klarem Wasser und dem Schutz dichten Waldes. Und in wieder anderen erhoben sich schroffe Felsen, in deren meist steilen Wänden sich kleine Höhlen wie Pockennarben befanden, die sich gut verteidigen ließen und von denen man auch einen weiten Ausblick hatte. Diese Wald- und Felsgebiete waren durch einfache Grenzen aufgeteilt. Nordöstlich der Großen Eiche lag das Land Obgurs und seines Stammes. Mittelsee gehörte Shihur, der Dämonin, und ihrer Bande. Neuankömmlinge mussten nicht nur für sich selbst sorgen und sich gegen Angriffe von Angehörigen der verschiedenen Stämme verteidigen, sondern auch versuchen, in dem einen oder anderen Gebiet unterzukommen. Geschicklichkeit mit Messer, Schwert oder Fäusten entschied die Stellung in der Hierarchie.
    Die Felsen, die den Alten See schützten, und der Wald aus wilden Apfelbäumen und dornigen Beerenbüschen ringsum, gehörten zu Urdus, dem muskelkräftigen Vanir, der um einen halben Kopf größer war als die meisten großen Männer. Er schwor, bereits sein halbes Leben auf der Insel verbracht und noch nie einen Kampf Mann gegen Mann hier verloren zu haben. Der Vanir genoss ein gewisses Maß an Hochachtung unter den Veteranen auf Os Harku, und in der rauen Gesellschaft, die sich unter seiner Führung entwickelt hatte, kamen so manche mit ihren Beschwerden zur Schlichtung zu ihm, statt einen Streit blutig im Wald auszutragen. Urdus war nicht alt – er hatte erst dreiunddreißig Sommer auf dem Rücken und er sorgte dafür, dass er in bester körperlicher Verfassung blieb. Doch obwohl er schon sein halbes Leben hier auf der Insel war, hatte er nie die Hoffnung aufgegeben, eines Tages doch nach Aquilonien zurückzukehren und einen bestimmten Edelmann in der Hauptstadt töten zu können – den Mann, dem er seine Verbannung verdankte.
    Aber Urdus verfügte auch über Geduld, die Geduld des Klugen und Gerissenen. Mehrere Male hatte er von seiner Fluchtabsicht zu Kameraden gesprochen, und wenn die Zeit gekommen war, Krankheit vorgetäuscht, um die praktische Ausführung seiner Pläne zu studieren, denn unausbleiblich (versuchten die anderen die Flucht ohne ihn. Einmal hatte er die Flucht durch die südwestlichen Sümpfe ausgedacht: die Todesschreie seiner Freunde in der Fluchtnacht hatten ihn diesen Plan schnell aufgeben lassen. Ein andermal hatte er sich überlegt, wie es wäre, ein Floß zu bauen und damit zum Ostufer zu segeln. Nicht er saß dann jedoch auf dem Floß, und die Schwerfälligkeit dieses Wasserfahrzeugs hatte schnell zu seiner Aufbringung durch die flinken aquilonischen Galeassen geführt.
    Urdus war kein Narr, trotzdem beschäftigte sein Gehirn sich immer noch, schon fast unbewusst, mit Flucht- und Racheplänen.
    Auf seinem Felssims sitzend und mit dem Messer in der Hand spielend, rülpste er und schaute finster und mit Adleraugen auf seine Leute. Neben ihm saß Aleil, die Schlampe, die sich entschlossen hatte, Urdus’ Gefährtin zu werden. Doch in dieser Nacht lähmte ihre Anwesenheit den riesenhaften Vanir. Er wusste, dass sie sich in ihrer Art ähnelten: stumpfsinnig einen Augenblick, und im nächsten von Geistesblitzen sprühend, und beide von derselben niemand trauenden Selbstsucht, wie die Götter sie manchen bereits in die Wiege legen. Aleil war ihm kein Trost, kein Freund, mit dem man Gedanken austauschen und dem man sich anvertrauen konnte.
    Um es gleich klarzustellen: niemand war ein Freund, niemand vertrauenswürdig.
    Urdus lauschte den Rufen der Nachtvögel und wunderte sich, dass sie auf Os Harku blieben, wenn sie sich doch so leicht in die Lüfte schwingen und das Wasser überqueren konnten.
    Aber sie waren Vögel mit Flügeln. Jedes Land der Welt stand für sie offen, und sie waren frei, solange sie außer Reichweite von Pfeil und Bolzen blieben. Sie blieben hier, weil sie Vögel und dumm waren. Urdus
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