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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin
Autoren: Pia Rosenberger
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zu kommen. Aber ich will das gar nicht.« Es traf die Sache nur halb, aber dennoch tat es gut, auszusprechen, was sie fühlte. Renata hörte nachdenklich zu und strich sich das schwarze Haar hinters Ohr.
    Der Kleine kletterte von ihrem Schoß und von der Bank, schnappte sich das Holzpferdchen und stürmte dann mit Getöse aus der Tür in den Garten wie ein ganzer Rittertrupp. Lena wusste nicht, woher die Tränen plötzlich kamen, aber da waren sie und ließen sich nicht aufhalten. Die Freundin nahm sie in die Arme und ließ sie weinen. Dann holte Renata einen Laib Brot aus der Vorratskammer, schnitt eine Scheibe ab, bestrich sie dick mit Honig, drückte sie Lena in die Hand und setzte sich wieder auf die Bank.
    »Essen tut immer gut, ganz besonders bei Kummer.«
    Gehorsam biss Lena in die Scheibe und kaute nachdenklich auf der harten Rinde herum.
    »Bei mir war es genauso«, sagte Renata. »Auch mein Vater hatte mir den Appenteker als Eheherrn ausgesucht, wie es die Väter eben so tun. Und sicher hat er es dabei gut mit mir gemeint. Erst war es schlimm, vor allem in der Nacht, wenn er zu mir kam.« Renata wurde knallrot. »Aber dann habe ich mich an ihn gewöhnt, und zum Schluss sind wir ganz gut miteinander ausgekommen.«
    Lena schüttelte den Kopf. »Nie und nimmer«, versicherte sie düster.
    »Aber wenn es so schlimm ist, dann glaube ich nicht, dass der Heinrich dich zwingen wird, ihn zu heiraten.«
    »In diesem Fall kann er nicht anders, oder die Werkstatt geht vor die Hunde.«
    Renata nickte. »Was ist mit deinem Vater, dass er seine Tochter verkaufen muss?«
    Lena zögerte. Bisher wusste kaum jemand von ihren Sorgen. »Er sieht die Farben nicht mehr«, gestand sie dann. »Alles ist für ihn grau wie im November. Und letztens konnte er die Gläser nicht mehr in die Bleiruten einpassen, weil sie vor seinen Augen verschwammen. Und wenn er sich anstrengt, wird er ganz blau im Gesicht.«
    »Und da hat er sich nach einem Schwiegersohn umgesehen, der die Werkstatt übernehmen kann«, sagte Renata nachdenklich. »Aber vielleicht muss er nur zu einem Starstecher gehen und sich etwas Ruhe gönnen. In Esslingen gibt es keinen, aber in Stuttgart oder in Ulm.«
    Lena schüttelte den Kopf. »Heinrich ist stur. Zum Bader geht mein Vater nicht mehr, seitdem Mutter gestorben ist.«
    Renata schwieg einen Moment. »Das verstehe ich. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Bruder Thomas von Mühlberg ist wieder in der Stadt. Er ist ein studierter Physikus.«
    »Der Infirmarius der Franziskaner? Könnte der meinen Vater gesund machen?«
    Da war auf einmal ein Funken Hoffnung, klein wie ein Glühwürmchen, aber er war da.
    »Kein anderer Arzt in Esslingen hat so große Kenntnisse der Heilkunst«, sagte Renata. »Er kann sich Heinrich doch zumindest mal ansehen. Vielleicht ist ja alles einfacher, als du denkst.«
    Die Welt sah plötzlich nicht mehr ganz so dunkel aus. Wenn doch nur der Anstetter nach Tübingen verschwinden würde, wo er hingehörte!
    »Aber wolltest du nicht immer den Valentin heiraten?«
    »Hirngespinste.« Lena zog ihre Augenbrauen finster zusammen. »Er war zwar schon immer mein Freund, aber er kann sicher noch zehn Jahre lang keine Familie ernähren.«
    Es tat weh, das zuzugeben, aber so war es nun einmal. Valentin war kein Glasmaler, sondern Steinmetz, und noch nicht einmal Geselle. Sie musste sich ihren Kinderfreund aus dem Kopf schlagen. »Und Vater, der kann es nicht ertragen, dass es nicht weitergeht mit der Werkstatt. Eines muss man dem Anstetter nämlich lassen: Er ist ein guter Glasmaler. Wenn er mal arbeitet.«
    »Aber Lena, wenn das so schlimm ist mit den Augen vom Heinrich, wer hat denn die Feinarbeiten ausgeführt in der letzten Zeit, die Konturen mit dem Schwarzlot und das alles?« Renata deckte den Tisch und stellte den angeschnittenen Laib Brot, eine Räucherwurst und einen Topf frischen Käse darauf. Lena schwieg und zerkrümelte die Brotrinde in viele kleine Stücke.
    »Doch nicht etwa du?« Renatas Augen wurden groß.
    »Wer denn sonst?«, fragte Lena düster. Sie selbst hatte im letzten Jahr die fertig ins Glas eingelassenen Figuren mit schwarzen Umrisslinien versehen, die Form ihrer Augen und Nasen gemalt, sie traurig oder froh ausschauen, lachen oder weinen lassen und dem Bild mit Schatten und Schraffuren Tiefe verliehen. »Erst gestern habe ich dem Methusalem so richtig viele Falten gemalt.«
    »Tatsächlich?« Renata schüttelte lachend den Kopf.
    »Damit habe ich gegen die Auflagen
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