Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin
Autoren: Pia Rosenberger
Vom Netzwerk:
der Zunft verstoßen, ich weiß«, sagte Lena trotzig. »Aber solange wir es nicht an die große Glocke hängen, drücken sie ein Auge zu. Ich kann nur die Werkstatt nicht übernehmen. Und erfahren sollte es auch keiner.«
    »Kann dir wirklich niemand anderes helfen?«
    »Wer denn? Der Vater sieht zu schlecht. Der Geselle kann zwar Glas blasen und schneiden, aber nicht zeichnen. Und die Lehrbuben haben sowieso nur Unsinn im Kopf.«
    »So wie dieser Bursche hier.« Renata schnappte sich ihren Sohn, der vom Garten wieder in die Stube galoppiert war, und setzte ihn auf die Bank vor seinen Teller.
    »Ich will ein Brot und Träuble«, krähte Franz. Lena füllte eine Schale mit überreifen Johannisbeeren, die sich Franz in den Mund stopfte, bis seine Mutter ihm auf die Finger klopfte.
    »Vielleicht, wenn ich ein Kind hätte …«
    »Es ist wichtig, dass es zwischen dir und deinem Mann stimmt. Denn das mit dem Kinderkriegen ist so eine Sache.« Renata setzte sich ebenfalls an den Tisch und goss sich ein Glas Saft ein. »Es muss nicht immer klappen. Und der Anstetter, macht er sich was aus dir?«
    »Er sagt, er findet mich schön. Aber ich weiß es besser. Wenn er mich nicht kriegt, denn geht ihm eine Werkstatt und ein gut gefüllter Weinkeller durch die Lappen.« Lena biss gierig in ihre zweite Scheibe, die sie dick mit Wurst belegt hatte. »Und er wird mich sicher nicht zeichnen lassen«, fügte sie mit vollem Mund hinzu. »Schließlich bin ich nur eine Frau.«
    Renata schüttelte lachend den Kopf, stand auf und begann, ein Leinensäckchen mit getrockneten Heilpflanzen zu füllen. »Augentrost und Baldrian sowie Galgant fürs Herz«, sagte sie. »Das kann den Druck lindern, den dein Vater wahrscheinlich hinter den Augendeckeln spürt, und es lässt ihn besser schlafen, denn sicher wälzt er sich jede Nacht sorgenvoll im Bett herum.«
    Sie drückte Lena das Säckchen in die Hand. »Brau ihm einen Sud davon auf. Und jetzt solltest du besser gehen. Daheim vermissen sie dich sicher.«
    Widerstrebend erhob sich Lena von der Bank. Es war so friedlich hier und tat so gut, über alles zu reden. Als sie in der Tür stand, legte ihr Renata für einen Moment die Hand an die Wange.
    »Was du dir wünschst, ist Liebe«, sagte sie dann leise. »Die kommt manchmal, wenn man sie am allerwenigsten erwartet.«
    Lena öffnete erstaunt den Mund, aber die Tür hatte sich so schnell hinter Renata geschlossen, dass sie nicht mehr antworten konnte. Verwirrt blickte sie zurück auf das kleine, friedliche Haus, in dem sie Antworten bekommen hatte, die noch mehr Fragen nach sich zogen.
    Stoff zum Nachdenken hatte sie während des Rückwegs genug.
    Das klare Blau des Himmels hatte bleigrauen Wolken Platz gemacht, die keine Abkühlung brachten. Es ging steil bergab, durch Gärten und Buschwald, immer in Richtung des Flusstals und der Stadt. Die vereinzelten Höfe und winzigen Weiler hatten aufgehört, und der Weg führte durch eine schmale, vom Regen ausgewaschene Klamm, die kaum zwei Wanderern gleichzeitig Platz bot. Hier wurde der Abstieg mühsam. Lena hangelte sich von Baumwurzel zu Baumwurzel und spürte ihre müden Füße kaum noch. Dazu kam eine drückende Schwüle, die ihr das Hemd verschwitzt am Rücken kleben ließ.
    Hoffentlich schaffe ich es noch, bis das Gewitter losgeht, dachte sie. Ein heißer Wind kam auf und fuhr in die Bäume und das Gebüsch am Waldrand.
    Ich werde ein Bad nehmen, wenn ich daheim bin, dachte sie sehnsüchtig, ein kühles, und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Als sie schon beinahe im Tal war, hörte sie plötzlich Hufgetrappel. Kaum einen Lidschlag später tauchte ein Trupp Reiter hinter ihr auf. Dafür, dass da ein Dutzend Männer mit riesigen Pferden ankam, waren sie erstaunlich leise. Der Weg war zu schmal, um ihnen und ihr gleichzeitig Platz zu bieten, aber Lena wäre sowieso nicht stehengeblieben. Vor Bewaffneten hatte sie eine Heidenangst. Sie warf sich geradewegs in die Büsche am Wegesrand und kroch zwei Meter tief in Deckung.
    »Autsch!« Überall waren Brombeerranken, die ihr Arme, Gesicht und Hände zerkratzten. Einen blutenden Finger im Mund, spähte sie aus ihrem Versteck. Die Männer mussten hier, auf dem steilsten Stück in Richtung der Stadt, aufmerksam auf den Weg achten. Sie führten ihre Pferde im Schritt, Mann hinter Mann. Sie waren diszipliniert, kein Wort störte das angespannte Schweigen. Entweder hatten sie Lena nicht bemerkt, oder sie nahmen keine Notiz von ihr. Auf den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher