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Die Hexenmeister

Die Hexenmeister

Titel: Die Hexenmeister
Autoren: Jason Dark
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brackiger Feuchtigkeit. Sie stolperte über den rauhen Steinboden. Die Decke war ziemlich niedrig, aber Solara konnte noch stehen, und die unheimliche Gestalt des Hexenmeisters drückte sich an ihr vorbei, weil er mit seiner Fackel das Verlies ausleuchten wollte.
    Zuckendes Licht, eine tanzende Flamme, deren Spiel aus Hell und Dunkel über die Wände huschte.
    Solara sah fratzenhafte Gesichter schattenhaft auf sie zukommen und wieder verschwinden. Unzählige Ungeheuer schienen sie zu umringen.
    Der Boden bestand nicht aus Steinen, sondern aus festgestampftem Lehm. Eine sonderbare Kälte erfüllte das Verlies, sicherlich die Kälte des Todes.
    Die Schatten veränderten sich, je weiter der Hexenmeister die Fackel transportierte. Manchmal wurden sie zu springenden Tieren, die wieder auf die jungen Nonnen zuhuschten, als sollte sie von den verzerrten Mäulern verschlungen werden.
    Aber das Licht erhellte auch etwas, das diesen Raum auszeichnete. Es war die Steinplatte.
    Sie stand auf zwei Steinstempeln, war so dick, daß sie auch ein größeres Gewicht aushalten konnte, und zeigte ein Muster aus dunklen und breiten Flecken, wie es eigentlich nur das Blut der Opfer hatte hinterlassen können.
    Menschen, die getötet worden waren, die in diesen Mauern ihr Leben ausgehaucht hatten.
    Ein Schauer strich über ihren Rücken. Angst quoll wieder in ihr hoch. Der Druck steigerte sich. Sie glaubte, ihr Herz würde zerspringen. Mit jedem Schlag pumpte es mehr Blut durch die Adern, das an Hitze gewann und ihr Gesicht rötete.
    »Komm… komm her…« flüsterte der Hexenmeister und winkte mit der freien Hand.
    Solara wußte, was er meinte. Es gab nur diese verdammte Steinplatte.
    Sie kam ihr vor wie ein entweihter Altar, den der Teufel für sich beanspruchte.
    Sie wußte, daß es keinen Sinn hatte, fliehen zu wollen. Der Hexenmeister wartete auf sie. Er hatte sich leicht gedreht, streckte den Arm aus und fand zielsicher einen Spalt in der Wand, in den er das Ende der Fackel stecken konnte.
    Hier war alles alt, uralt, selbst das Licht empfand sie so. Solaras Gesicht war unbewegt, als sie dem Steintisch entgegenschritt. Nicht einmal die Lippen zuckten. Sie lagen so hart zusammen, daß sie beinahe einen Strich bildeten. Sie blieb so dicht vor dem Steinaltar stehen, daß sie ihn fast berührte.
    Der Hexenmeister Valentin schaute sie an. Zwischen ihnen befand sich nur die Breite der Altarplatte. Noch nie hatte sie das Gesicht dieses blassen Teufels so nahe vor sich gesehen. Obwohl das Fackellicht über seine Schultern hinwegtanzte und auch Schatten auf das Gesicht malte, glaubte die Nonne, Einzelheiten erkennen zu können.
    Es war keine so glatte Fläche, wie sie angenommen hatte. Sie sah die feinen Risse und dachte an ein Puzzlespiel, aus dem das Gesicht zusammengesetzt war.
    War es echt oder künstlich?
    Der Rand der Kapuze hatte sich verschoben. So lagen die Augen zum erstenmal frei vor ihr. Augen?
    Nein, das waren kleine, mit einer bösen Schwärze ausgefüllte Flächen, in dem alles Grauen der Welt lag. Tückisch, gemein und bösartig.
    Begleitet von einem eisigen Glitzern, eine irrsinnige Vorfreude auf das kommende Grauen.
    Pfeilschnell griff er zu.
    Die blasse, breite Klaue schoß aus der Ärmelöffnung hervor und verfehlte ihr Ziel nicht. Sie hakte sich mit jedem Finger im Stoff der Nonnenkutte fest, drehte daran, wobei es keinen Sinn ergab, daß sich Solara widersetzte.
    Der Hexenmeister war stärker.
    Er zerrte sie auf die Steinplatte zu. Sie spürte den Schmerz in den Knien, als sie gegen die Kante stieß, dann wanderte die Klaue, erwischte ihr Haar, zerrte daran und zwang sie, sich auf den Altar zu legen. Dem Hexenmeister paßte es nicht, daß sie auf dem Bauch lag. Sie hörte ihn fluchen, er sprach mit einer widerlichen, kalten Stimme, dann drehte er sie herum.
    Jetzt lag sie auf dem Rücken.
    Valentin stand neben dem Steinaltar und schaute böse auf sie herab. In seinen dunklen und gleichzeitig leeren und nichtssagenden Augen blitzte kein Funke Gefühl. Solara wußte auch, was das zu bedeuten hatte.
    Nichts anderes als den Tod.
    Noch tat er nichts. Er schaute nur auf sie herab. Dann zog er die Kapuze zurück.
    Die junge Nonne erstarrte.
    Nie hätte sie mit diesem Gesicht gerechnet. Es war nicht das eines Monstrums, es war menschlich, und trotzdem konnte sie ihm nichts Menschliches abgewinnen.
    Vielleicht lag es an dem kahlen Schädel, auf dem nicht ein dünnes Haar wuchs. Es konnte aber auch an der glatten Haut liegen, die
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