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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls
Autoren: Jodi Picoult
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jeden Nachmittag allein durchführte, in der Hoffnung, daß er irgendwann die ersehnte Wirkung zeigte.
    Während ihr Vater glaubte, sie säße an ihren Hausaufgaben, kniete sie sich mit einer Kerze auf den Boden – rot für Mut. Aus der Hosentasche zog sie ein zerknittertes Foto von ihrer Mutter. Gilly stellte sich das letzte Mal vor, als sie von ihr in den Armen gehalten worden war, bis das Gefühl so stark war, daß sie an den Oberarmen den Druck der Finger ihrer Mutter spüren konnte.
    »Ich rufe die Muttergöttin und den Vatergott«, raunte Gilly und rieb dabei mit Patschuliöl über die Kerze, von der Mitte nach unten und oben. »Ich rufe die Kräfte der Erde, der Luft, des Feuers und Wassers. Ich rufe die Sonne, den Mond und die Sterne an, mir meine Mutter zu bringen.«
    Sie schob das Foto ihrer Mutter unter den Kerzenhalter und steckte die Kerze hinein. Sie stellte sich das Lachen ihrer Mutter vor, hell und kräftig, das Gilly immer an das Meer hatte denken lassen. Dann streute sie Kräuter im Kreis um die Kerze: Salbei für Unsterblichkeit und Zimt für Liebe. Der Raum war sogleich erfüllt von Wohlgeruch. In der blauen Hitze der Flamme konnte sie sich als Kind sehen. »Mama«, flüsterte Gilly, »komm zurück.«
    Im selben Augenblick, wie immer, flackerte die Kerze und erlosch.
    Darla Hudnut kam in den »Diner« gefegt wie ein Wirbelwind. »Wo versteckst du ihn, Addie?« rief sie, während sie sich den Mantel aufknöpfte.
    Darla war die Aushilfskellnerin, die ab und zu für Addie einsprang. Doch diesmal konnte Addie sich nicht erinnern, sie gerufen zu haben. »Wieso bist du hier?«
    »Du hast mich letzte Woche darum gebeten, weißt du nicht mehr?« sagte Darla. Sie strich sich die Bluse glatt, die sich über ihrem Busen spannte. »Du hast gesagt, du willst ausgehen. Aber vorher mußt du mir alles über den Typen erzählen, den du eingestellt hast.«
    »Meine Güte, steht das schon auf Plakaten im ganzen Ort?«
    »Ach, tu nicht so, Addie. In so einer Kleinstadt fällt man doch schon auf, wenn man sich den Fingernagel abgebrochen hat. Ein großer, blonder, gutaussehender Mann, der wie aus dem Nichts auftaucht … ist doch klar, daß die Leute neugierig werden.«
    Addie fing an, die Kunstlederbezüge der Sitzbänke abzuwischen. »Was reden die Leute denn so?«
    Darla zuckte die Achseln. »Nach dem, was ich bisher gehört habe, ist er dein Exmann, der Bruder von Amos Duncan und der Anlageberater von der Lottozentrale.«
    Addie lachte laut auf. »Er ist einfach jemand, der ziemlich viel Pech gehabt haben muß, Darla.«
    »Dann gehst du also heute abend auch nicht mit ihm aus?«
    Addie seufzte. »Ich gehe heute abend mit niemandem aus.«
    »Da bin ich aber anders informiert.« Addie zuckte zusammen, als Wes Courtemanche durch die Tür gefegt kam. Er hatte seine Polizeiuniform ausgezogen und trug jetzt ein schickes Jackett mit Krawatte. »Ich erinnere mich ganz genau, daß du gesagt hast, ich dürfte dich am Mittwoch zum Essen ausführen. Darla, ist heute Mittwoch?«
    »Ich denke, ja, Wes.«
    »Das wäre dann wohl geklärt.« Er zwinkerte. »Also, Addie, zieh dich um.«
    Sie stand wie angewurzelt da. »Das muß ein Scherz sein. Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich mit einem Mann ausgehe, der meinen Vater eingesperrt hat.«
    »Das war beruflich, Addie. Das hier ist jetzt …« Er beugte sich näher heran und senkte die Stimme zu einem weichen Klang. »Vergnügen.«
    Addie ging zu einem anderen Tisch und fing an zu scheuern. »Ich hab zu tun.«
    »Das kann Darla übernehmen. Und nach dem, was ich gehört habe, auch irgend so ein neues Bürschchen.«
    »Genau deshalb kann ich hier nicht weg. Ich muß seine Arbeit überwachen.«
    Wes hielt ihre Hand auf dem Tisch fest. »Darla, du kümmerst dich doch um den Neuen, oder?«
    Darla klimperte mit den Wimpern. »Na … ein bißchen was könnte ich ihm wahrscheinlich beibringen.«
    »Ganz bestimmt«, sagte Addie halblaut.
    »Also dann. Auf geht’s. Du willst mir doch nicht etwa das Gefühl geben, daß du nicht gern mit mir ausgehst, oder?«
    Addie blickte ihm in die Augen. »Wes«, sagte sie, »ich gehe nicht gern mit dir aus.«
    Er lachte. »Sei mir nicht böse, Addie, aber diese fiese Nummer, die du hier abziehst, macht mich richtig an.«
    Addie schloß die Augen. Es war nicht fair, daß sie sich an einem solchen Tag auch noch mit Wes Courtemanche abgeben mußte. Sie hatte doch wirklich schon genug Ärger am Hals. Aber wenn sie nicht mit Wes ausging, würde er den
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