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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls
Autoren: Jodi Picoult
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letzte, dem es zustand, seiner Tochter einen Vortrag über Unaufrichtigkeit und moralische Verantwortung zu halten. Addie Peabodys Name schoß ihm durch den Kopf wie ein Blitz, und er berührte die Hand seiner Tochter. »Vielleicht sollten wir mit jemandem reden«, sagte Charlie. »Mit jemandem, der sich mit so was auskennt, der das beruflich macht.«
    »Du meinst, mit einem Psychiater?«
    Charlie nickte. »Wenn du es möchtest.«
    Meg wirkte plötzlich wieder wie ein kleines Mädchen. »Würdest du denn mit mir mitkommen?« flüsterte sie.
    Charlie streckte ihr die Arme entgegen, und seine Tochter kroch dorthin, wo sie hingehörte. Er rieb ihr den Rücken, verbarg das Gesicht in ihren Haaren. »Überallhin«, schwor er, »und wieder zurück.«
    Einen entsetzlichen Moment lang dachte Addie, sie hätte ihn verloren. Sie ging durchs Haus, fragte sich, ob sie sich seinen Freispruch nur eingebildet hatte, rief seinen Namen und bekam keine Antwort.
    Schließlich entdeckte sie Jack draußen auf Chloes Schaukel. Mit nackten Füßen tappte sie über den Rasen und setzte sich auf die Schaukel neben ihn. »Soll ich dich anschubsen?« fragte sie.
    Jack schmunzelte. »Nein danke. Ich spring von allein, wenn ich soweit bin.«
    Er löste eine Hand von der Kette und schlang seine Finger um Addies. Sie saßen schweigend da, umgeben vom Gesang der Grillen, und schauten dem warmen Wind zu, der durch die Bäume rauschte. »Was ist das für ein Gefühl?« fragte Addie leise.
    Jack legte die Faust auf die Brust. »Als hätte die ganze Welt sich genau hier eingenistet.«
    Sie lächelte. »Das kommt daher, weil du zu Hause bist.«
    »Addie«, sagte er, »das Problem ist, ich bin nicht zu Hause. Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Natürlich kannst du das.«
    »Ich meine, ich kann nicht in Salem Falls bleiben, Addie. Hier will mich keiner.«
    »Ich will dich«, sagte sie und wurde ganz ruhig.
    »Ja.« Jack zog ihre Hand an seinen Mund und küßte sie. »Deshalb werde ich gehen. Mein Gott, du hast doch selbst gesehen, was alles passiert ist, seit wir aus dem Gericht gekommen sind. Eine Mutter hat auf der Straße ihr Kind von mir weggezogen. Der Typ, der auf dem Absatz kehrtgemacht hat, als er mich im ›Diner‹ gesehen hat. Ich kann so nicht leben … und du auch nicht. Wenn du deine Gäste verlierst, kannst du deinen Laden dichtmachen.«
    Vielleicht lag es daran, daß die Hitze nachließ, als sich die Dunkelheit über Salem Falls senkte, vielleicht lag es daran, daß sie daran denken mußte, wie gern ihre Tochter genau hier gespielt hatte, vielleicht aber lag es nur daran, daß ihre Seele einfach zu sehr gelitten hatte, um kampflos aufzugeben – in diesem Augenblick traf Addie eine Entscheidung. »Ich hab dir schon einmal gesagt«, sagte Addie mit funkelnden Augen, »du wirst mich nicht mehr los.«
    »Aber Addie, ich bin ein Vagabund. Du dagegen weißt, wo du hingehörst.«
    »Ja. An deine Seite.« Sie küßte ihn, drückte ihm ihr Vertrauen wie ein Brandzeichen auf.
    Jack lächelte. »Was wird aus dem ›Diner‹?« raunte er und zog sie auf seinen Schoß.
    »Den kann mein Vater übernehmen. Das tut ihm gut. Und ich hab inzwischen einen Urlaubsanspruch von mindestens zweiundvierzig Wochen.«
    Sie schwangen sachte hin und her, während die untergehende Sonne ein Feuer auf den Weg züngelte und die ersten Sterne am Nachthimmel erschienen. Jack malte sich aus, wie er mit Addie nach Griechenland fuhr, nach Portugal, ins Loire-Tal. Er stellte sie sich in Rom neben der Fontana die Trevi vor, in den kanadischen Rocky Mountains, auf der Aussichtsplattform des Empire State Building.
    »Wir werden meine Mutter besuchen«, sagte er, und der Gedanke nahm immer klarere Gestalt an. »Ich denke, sie würde dich gern kennenlernen.«
    »Sie wohnt in New York?«
    Jack nickte.
    Auch ein guter Ort für ein Happy-End.
    Kurz nach Mitternacht wachte Amos Duncan auf. Er lag im Bett, und sein sechster Sinn sagte ihm, daß irgend etwas nicht stimmte.
    Er stand auf, zog sich den Bademantel über und ging über den Flur zu Gillians Zimmer. Die Tür stand weit auf, das Bett war leer.
    Er entdeckte sie schließlich in der Küche, wo sie im Dunkeln am Tisch saß. Vor ihr stand ein Glas Milch, unangetastet. Den Kopf hatte sie schwer in eine Hand gestützt; die Augen fixierten etwas, das nur sie sehen konnte.
    »Gilly«, flüsterte er, um sie nicht zu erschrecken.
    Sie fuhr aus ihren Gedanken auf, blinzelte überrascht. »Oh«, sagte sie verwirrt. »Ich … ich hab nicht
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