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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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sind zumeist hässliche alte Vetteln, die zu viel gesoffen haben und dann diesen Unsinn, den man ihnen vorkaut, selber für wahr halten.
    Neulich hat mich doch ein Besenbinder aus einem meiner Dörfer allen Ernstes glauben machen wollen, dass er seine Nachbarin dabei beobachtet habe, wie sie in einem irdenen Hafen grüne Erbsen, Haferschleim, Honig, Rotz und Mäusedreck zusammengerührt habe, um daraus - man höre und staune - Hagel zu sieden!
    Solange die Menschen hierzulande so dumm und ungebildet
sind, dass sie diesen Blödsinn glauben, dann sollte man sie nicht noch dabei unterstützen, indem man aus ihren Spinnereien einen Prozess strickt. Vor allem, wenn dieser von vornherein so angelegt ist, dass das Urteil schon feststeht.«
    »Herr Rupert«, der zukünftige Studiosus der Rechte - bis vor kurzem noch das Edelfräulein Alberta - stand neben dem Grafen und hörte mit wachsendem Entsetzen zu. Wie redete denn der Vater mit seinem Landesherrn? Jeder wusste doch, wie Herzog Maximilian über diese Angelegenheit dachte.
    Beinahe ängstlich warf »der junge Mann« einen Seitenblick auf den Herzog. Aber dieser hatte sich gut in der Gewalt. Ja, Alberta konnte es gar nicht fassen, der ernste und stolze Wittelsbacher lachte sogar - etwas, das angeblich nur alle Jubeljahre einmal vorkam.
    »Ich kenne Euch wohl, Graf, Euch und Euer loses Mundwerk, was diesen Punkt anbetrifft! Aber, lasst Euch sagen«, und mit einem Mal war der Herzog wieder todernst, »Ihr macht es Euch zu leicht, indem Ihr einfach hartnäckig leugnet, was die Kirche uns zu glauben befiehlt: Es gibt Menschen unter uns, vor allem Frauen, die sich der übernatürlichen Mächte bedienen, um ihren Mitmenschen, dem Vieh oder der Natur in irgendeiner Weise zu schaden.
    Dass sie das überhaupt fertig bringen, hat seinen Grund darin, dass ihnen der Satan beisteht bei ihrem verwerflichen Tun - aus eigener Kraft könnte es ihnen nämlich niemals gelingen; das liegt wohl auf der Hand, Vetter.«
    Hin und wieder geruhte der Herzog sich der Tatsache zu erinnern, dass vor gut zweihundert Jahren eine Gräfin Mangfall in die Wittelsbacher Linie eingeheiratet hatte. Damals war es noch ganz selbstverständlich, dass die Herren von Wittelsbach sich ihre Gemahlinnen aus anderen altbayerisch-adligen Familien erwählten - nicht so wie später, als nur noch die Töchter
regierender, europäischer Fürstenhäuser gut genug für sie waren …
    »Auf der Hand liegt für mich nur, Vetter«, erwiderte gelassen der Graf, ebenfalls die familiäre Anrede benutzend, »dass das meiste ein gewaltiger Unsinn ist, der da vor Gericht aufgetischt wird. Von Geburt an schwachsinnige oder durch Trunksucht idiotisch gewordene Männer und Weiber stellen Behauptungen auf, die jeder vernünftigen Überlegung spotten und werden von studierten Juristen auch noch ernst genommen!
    Der oder die Angeschuldigte kann sich gar nicht dagegen zur Wehr setzen, wenn solche Individuen, die ihr bisschen Verstand längst in Bierkrug oder Schnapsglas versenkt haben, gegen sie aussagen.
    In Wahrheit vermögen die angeblichen Hexen nämlich überhaupt nichts! Wenn ein Mensch sterben muss, dann war seine Zeit eben um, und falls eine Kuh verreckt, war sie krank, und wenn ein Unwetter die Ernte verdirbt, dann hat meinetwegen der Herrgott den Hagel geschickt, von mir aus auch der Teufel - aber doch nie und nimmer ein Zauberer oder eine Hex’.«
    »Dafür braucht es ja den Prozess, Graf, um hinter die genaue Ursache des Unglücks zu kommen.«
    Aha, aus war es wieder mit dem »Vetter« …
    »Dieser muss exakt geführt werden, um die Wahrheit herauszufinden. Niemand wird in Bayern hingerichtet, der nicht wirklich schuldig ist - und das auch eingesteht . Wer anderes behaupten wollte, der lügt.«
    Kalt musterte der Herzog den Herrn von Mangfall-Pechstein.
    Auch er gab sich jetzt kämpferisch und wiederum fühlte Alberta sich mehr als unbehaglich. Wie sie sofort hören konnte, gab ihr Vater keineswegs klein bei.

    »Aber, Herzog! Wie soll denn bei diesen Verhandlungen die Wahrheit ans Licht kommen, wenn jeder beliebige Dorfdepp einen Unschuldigen wegen der absurdesten Dinge verleumden darf? Und wenn die ›Geständnisse‹ aus den Angeklagten auf das Grausamste herausgepresst werden? Was hat das mit einer sauberen Prozessführung zu tun?
    Wenn unsereinem die Beine gebrochen oder die Gelenke aus den Pfannen gerissen würden, wären wir beide dann nicht auch bereit, alles zuzugeben - bloß um endlich vom Folterknecht in Frieden
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