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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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fünfzigjährige, aus dem edlen Hause der römischen Orsini stammende Leiter der weltberühmten Universität.

KAPITEL 2
    26. August 1603, unterwegs nach Bologna
     
    »PATER, ICH WEISS, dass Ihr mit meinem Vater einer Meinung seid und die Hexenprozesse nicht gutheißt. Aber ich finde, wenn so viele gelehrte Männer, bedeutende Männer der Kirche zumal, versichern, dass es Frauen mit Beziehungen zum Satan gibt - Frauen, die ihm sogar ihre unsterbliche Seele verkauft haben -, dann können wir, denen diese
höhere Einsicht weitgehend fehlt, doch nicht das Gegenteil behaupten!
    Hexen und Zauberer sind nun einmal gefährlich. Zum einen, weil sie Schaden anrichten, und zum zweiten, weil sie sich gegen den Glauben verschworen haben und Jesum Christum und seine heilige Mutter verspotten und böse Scherze mit dem Allerheiligsten treiben sollen.«
    Bedächtig wiegte der Pater den Kopf, ehe er seiner Schutzbefohlenen antwortete:
    »Wie Ihr richtig sagt, meine Liebe: ›Sollen‹! Noch nie ist der Beweis unwiderlegbar erbracht worden, dass eine der Hexerei Beschuldigte bei solch gottlosem Tun auf frischer Tat ertappt worden wäre. Und wenn man jemand angetroffen hat, der Hostien schändete, dann war es eine verrückte oder dem Alkohol verfallene Alte, die nicht mehr Herrin ihrer Sinne war und die sich eingebildet hat, sie vermöchte irgendeinen Zauber bewirken.
    Die meisten dieser geradezu abenteuerlichen Behauptungen beruhen auf ›Geständnissen‹, welche diese Frauen unter der schlimmsten Folter gemacht haben. Viele haben aber noch auf dem Scheiterhaufen widerrufen.«
    »Warum haben sie dann aber das Verwerfliche überhaupt zugegeben, wenn es nicht der Wahrheit entsprach, Pater? Etwas muss doch dran sein an den Vorwürfen! Sogar der Heilige Vater und unser Herzog Maximilian glauben, dass es wirklich Weiber gibt, die einen Bund mit dem Teufel geschlossen haben, damit er ihnen bei ihren Schandtaten hilft und ihnen ein bequemes Leben ermöglicht.«
    Beinahe mitleidig betrachtete der Benediktiner seinen Schützling: Wie unreif dieses junge Menschenkind doch noch war …
    Sie hatten kurz nach dem Brennerpass Halt an einer verlassenen
Herberge gemacht und sich im Schatten hinter der Hütte niedergelassen, um zu verschnaufen und den Pferden eine kurze Rast zu gönnen.
    »Überlegt doch einmal, Alberta: Wenn die Weibsbilder tatsächlich so zauberkräftig und gefährlich wären, wie man sie darstellt, dann wäre es ihnen doch ein Leichtes, sich selbst aus den Kerkern zu befreien und ihre Peiniger dafür büßen zu lassen, dass sie ihnen wehgetan haben, oder etwa nicht?
    Und habt Ihr schon ein einziges Mal davon gehört, dass es während einer Verbrennung bei lebendigem Leibe passiert wäre, dass eine Hexe einen Platzregen hätte herbeizaubern können, um die Flammen zu löschen? All das ist ein großer Unsinn, sage ich Euch. Irgendwann werden alle einsehen, welchem Irrtum sie erlegen sind - aber dann ist es für die abertausend armen Menschen zu spät! Ich möchte mich nicht mit solchem Unrecht belasten, das kann ich Euch guten Gewissens versichern.«
    »Ihr macht mich ganz wirr, Pater Winfried«, sagte die angehende Studiosa störrisch. »Wem soll man denn noch Glauben schenken?«
    »Benützt Euren eigenen Verstand - und prüft vor allem Euer Herz. Was dieses Euch sagt, das glaubt dann, meine Tochter. Um Euch ein Beispiel dafür zu geben, dass durchaus nicht alle diesem Wahn verfallen sind, erinnere ich Euch an mein Heimatkloster in Ettal. Unser Abt hat in dem gesamten Gebiet, das seiner Abtei unterstellt ist, die Hexenprozesse untersagen lassen.
    Wenn jemand straffällig geworden ist, soll er verurteilt werden als Dieb, Räuber oder Mörder. Aber den Tanz mit dem Teufel beim ›Hexensabbat‹ wollen wir doch, bitte schön, beiseitelassen!
    Die Menschen huldigen dem Herrn der Finsternis, indem
sie sündigen, aber nicht, indem sie auf Heugabeln oder Besenstielen zum Ofenloch hinausfahren und mit einem Ziegenbock kopulieren - und was sonst noch für lächerliche Abartigkeiten behauptet werden.«
    »Und was ist, wenn eine böse Frau dem Kind ihrer Nachbarin wirklich etwas antut?«, wollte Alberta wissen.
    »Dann muss sie sich natürlich für ihre Tat verantworten: im schlimmsten Falle für Mord - aber was hat das mit Hexerei zu tun? Sie wird enthauptet und damit ist das Verbrechen gebüßt. Da brauchen wir keinen Geschlechtsverkehr mit dem Teufel zu konstruieren und infolgedessen auch keinen Scheiterhaufen zu errichten.«
    »Wenn ich
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