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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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Pflanzen in Tontöpfen geschmückt (eine Idee der Gräfin) und Freda hatte
wohl vor, diese Blumen mit Wasser zu versorgen. Dafür sprach die blecherne Gießkanne, die sie in der rechten Hand hielt.
    Kaum wurde sie des Grüppchens ansichtig, stockte ihr Schritt; achtlos ließ sie die laut scheppernde Kanne fallen, drehte sich nach einem Blick auf den Herzog um und rannte davon, als sei ein gefährlicher Verfolger hinter ihr her. Das Ganze geschah so schnell, dass der Hausherr es nicht einmal bemerkte. Erst der Krach, den das Blechgefäß auf dem Pflaster machte, schreckte ihn auf.
    Alberta hingegen war peinlich berührt; es war ihr nicht entgangen, dass Maximilian den befremdlichen Vorfall sehr wohl registriert hatte. Das Mädchen ballte heimlich die Fäuste. Waren denn alle nur darauf aus, den Herzog zu brüskieren?
    Wieso war die schöne Freda so plötzlich und ohne vor dem hohen Herrn zu knicksen, verschwunden? Schämte sie sich vielleicht ihres allzu offenherzigen Ausschnittes? Alberta wusste, dass ihre Mutter bereits einige Male den Hauslehrer ersucht hatte, seine Tochter zu ermahnen, ihren Busen nicht so offen zur Schau zu stellen - die Knechte könnten sonst noch auf dumme Einfälle kommen …
    Aber ehe Alberta diesen Gedanken weiterverfolgte, wandte sich ihr der Herzog abrupt zu:
    »Ich hoffe sehr, mein Sohn, dass Ihr ein wenig anders geartet seid, als Euer Herr Vater, den ich zwar sehr schätze, der mir aber oft das Gefühl vermittelt, ein ungebildeter Tropf zu sein, der auf allerlei abstruse Behauptungen des dummen Volkes hereinfällt und dem man leicht ein X für ein U vormachen kann.«
    »Aber, Herr Maximilian …«, stotterte jetzt der Graf, dem anscheinend aufging, dass er sich doch etwas zu weit vorgewagt hatte. Ein wenig unwillig winkte der Wittelsbacher ab und widmete sich erneut leutselig dem künftigen Studiosus.

    »Wie ich hörte, wollt Ihr in der Stadt Bologna die Rechte studieren? Sehr gut. Seid nur schön fleißig, junger Graf! Und dann kommt mit Eurem Abschlusszeugnis und Eurem Doktorhut nach München in die Residenz, und ich will sehen, wozu ich Euch werde brauchen können.«
    Da war Alberta - bereits zum hundertsten Male hoffend, dass ihr »Geheimnis« nie, nie offenbar werden möge - vor Erleichterung und Dankbarkeit schier überwältigt. Vor ihrem irdischen Herrn, der es - wie er im Lande hatte verbreiten lassen - »aus Bescheidenheit« ablehnte, jemals als Anwärter für den Kaiserthron zu kandidieren, sank sie auf die Knie und küsste die Hand dieses wahrhaft Großen voll Ergriffenheit.
    Wie liebenswürdig er doch mit ihr gesprochen hatte! Offenbar trug ihr Herzog Maximilian die Ausfälligkeiten ihres Vaters nicht nach.
    Als Bayerns Herrscher sich verabschiedete, schien er sogar mit dem Grafen wieder versöhnt. Gnädig klopfte er dem Älteren auf die Schulter und meinte lächelnd:
    »Passt nur auf, Vetter, dass nicht direkt vor Euren Augen, in Eurem eigenen Haus, eine Hex’ sich einnisten möcht’! Eure schöne Magd von vorhin - die mit dem eigenartigen Benehmen und dem schamlosen Gewand - erscheint mir höchst anfällig für die Avancen des Satans zu sein. Hahaha!«
    Damit schwang sich der Wittelsbacher wieder in den Sattel seines spanischen Rappen und machte sich mit seinen Begleitern auf den Rückweg in die Residenz.
     
    Am nächsten Tag würde sie mit Pater Winfried die Reise über die Alpen nach Italien, nach Bologna, antreten. Alberta hatte ihren Reisesack bereits vor Tagen gepackt: hauptsächlich warme Männerkleidung, Unterwäsche zum Wechseln und ein paar Bücher. Alles andere - Schreibmaterial und vor allem die
teuren Lehrbücher - würde sie sich von dem Geld kaufen, das der Graf ihr versprochen hatte.
    Die Studiengebühren bis zum Frühjahr hatte ihr Vater bereits im vergangenen Mai entrichtet, als er persönlich beim Leiter der Bologneser Universität vorgesprochen und seinen Sohn wegen Krankheit entschuldigt hatte. Gleichzeitig hatte er dem Herrn - einem strengen, aber ob seiner Gelehrsamkeit in ganz Europa berühmten Mann - das Versprechen gegeben, dass sein Filius sich in Zukunft nur noch seinen Studien widmen würde.
    Und um seinen Sprössling in dieser Hinsicht zu unterstützen, würde er ihm seinen Geistlichen als Mentor und gleichzeitig als »Kindermädchen« mitgeben. Der Rektor der Hohen Schule vernahm’s mit Wohlwollen.
    »Die jungen Herren bedürfen in der Fremde hin und wieder väterlichen Zuspruchs und gelegentlich auch einer harten Hand«, meinte der etwa
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