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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen
Autoren: Manfred Böckl
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beten!«
    Der Inquisitor legte seine breiten Hände auf die ausgemergelten Schultern des Mädchens. Der silberne Gekreuzigte tanzte auf stinkendem Rupfenkleid über der rührend mageren Schlüsselbeingrube. »Heilige Maria, Mutter Gottes, welche du bist voll der Gnaden«, skandierte der Jesuit mit tönender Stimme. Er ließ Katharina genügend Zeit, damit sie mühsam stammelnd wiederholen konnte, was er ihr vorsprach. Und fuhr dann fort: »Gebenedeit bist du unter den Weibern.«
    Katharina folgte der Litanei, fromm wie ein Hündchen, wirkte jetzt beinahe glücklich – ein gelöstes Kleinkind, das ein neues Spiel spielte.
    Und auch der Inquisitor war glücklich, weil sie ihm keine Schwierigkeiten mehr machte, nie wieder welche machen würde.
    So vergaß Straßmayr, daß sie im Kloster mit dem Nachtmahl auf ihn warteten, harrte in der eisigen Kerkergruft aus und betete unermüdlich mit Katharina Grueber bis Mitternacht.
    ***
    Um die Mitternacht fiel in scharfkantigen, winzigen Kristallen Schnee. Die Fronfeste war jetzt nur noch ein kaum sichtbarer Schemen. Nur die Wachfeuer glühten nach wie vor – zwei rote Augen im Antlitz der Steinburg. Auf dem Haag, der flachen Wiese, zischelten und wisperten die im Wind heransausenden Kristalle. Der Gaul hatte sich mit der Kruppe dagegengestellt; hinter seinem Sattelbug häufte es sich schartig. Der Pfleger selbst hatte das Gefühl, als seien ihm längst Hände und Füße erfroren. Aber tiefer noch saß die Kälte in seiner Brust. Er hatte jetzt furchtbare Angst. Doch er durfte nicht länger zögern. Wenn er zuschlagen wollte, dann mußte es um Mitternacht geschehen, wenn ein Angriff am wenigsten erwartet wurde. Und er hatte dann eine halbe Nacht Vorsprung vor möglichen Verfolgern. Die Spanne, die er brauchte, um vor ihnen die Grenze zu erreichen – wenn das überhaupt möglich war.
    Er mußte jetzt gehen. Hinüber zur Feste. Das Roß dabei führen, um keine zu hohe Silhouette gegen das Schneegestöber zu zeichnen. Er ruckte am Zügel. Der Gaul stampfte unwillig. Als Kaspar Michel ihn mit Gewalt aus dem relativen Schutz des Gestrüpps zerren wollte, knickte sein Fuß an einem gefrorenen Maulwurfshaufen um. Der Schmerz schoß ihm bis zu den Leisten hinauf. Das Pferd scheute. Mühsam trat der Pfleger wieder auf. Es ging. Es war nichts verstaucht. Aber er würde seinen schweren Weg hinkend zurücklegen müssen.
    Über die gedämpft dahinschießende Donau, die Brücke. Von der aus hatten sie einst die Bernauerin in den Strom gestoßen. Blitzartig wurde es dem Pfleger bewußt, als er sie langsam überquerte. Die Heiligenfigur auf dem höchsten Punkt ahnte er mehr, als er sie sah. St. Nepomuk, ebenfalls einer, den sie ermordet hatten. Böse Vorzeichen, dachte der Pfleger beklommen, zwei Tote an dieser Brücke …
    Für einen Moment verwirrten sich seine Gedanken, er schien körperlos über dem Pflaster zu schweben, kam wieder zu sich, weil nach einem Tritt auf einen gröberen Stein ein neuer Schmerz durch seinen Knöchel schoß. Mit zusammengebissenen Zähnen tappte er weiter, das Roß rutschend hinter ihm. Als die Brücke überwunden war, klangen die Huftritte dumpfer.
    Die Fronfeste war jetzt sehr nahe. Das Portal wie ein schwarzes Maul in der stiebenden Dunkelheit. Links und rechts die Kohlenfeuer in den eisernen Körben. Wachtposten waren nicht zu sehen. Die steckten, wie Kaspar Michel wußte, in einem Gewölbe seitlich des Torbogens.
    Der Pfleger zog sein Roß noch näher heran und lockerte dabei mit halberfrorenen Fingern seinen Degen in der Scheide. Wenn es möglich sein würde, dann wollte er mit dem geschmiedeten Korb zuschlagen, die Posten nur betäuben. Wenn alle Stricke rissen, würde er schießen müssen.
    Dann so schnell wie möglich hinunter zu den Verliesen. Die Riegel aus den Halterungen gerissen. Katharinas Ketten gesprengt, mit dem Degen oder dem Dolch. Heraus aus der Burg und mit dem Mädchen in den Sattel. Er würde ihr seinen Umhang geben müssen, damit sie nicht erfror. Dann die Jagd durch die Nacht, nach Norden. Am besten nach Böhmen. Der Kurfürst von Bayern und der Kaiser zu Wien standen nicht gut miteinander. In Böhmen würde er für Katharina Zuflucht finden können. Und dann heimlich zurück – und zu Anne. Dann endlich würde er wieder Frieden finden können.
    Der Pfleger hatte das Portal erreicht. Die Posten schienen zu schlafen. Niemand schien ihn bis jetzt bemerkt zu haben. Vorsichtig, damit nichts klirrte, zog Kaspar Michel den
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