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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen
Autoren: Manfred Böckl
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mannigfaltiger Laster hervorgebracht haben. Danach ging der Höllenherr darauf aus, es zusammen mit den Wurzeln, das heißt: mit den rechtzeitig heimgeholten Hexen und Zauberern, zur Erntezeit, nämlich am Lebensende, einzubringen und es in seiner Scheuer des schauerlichen Abgrunds zu sammeln, damit es ewig brenne, jedoch niemals verbrenne.
    Aber gegen die Arbeit des höllischen Sämannes traten zur rechten Zeit unsere Kapuziner an, indem sie diese Hexenpersonen – nachdem sie gefangen, vor Gericht gestellt, überführt und zum Tode verurteilt waren – mit Fleiß und großer Mühe so vorbereiteten, daß sie ein glückliches Lebensende fanden.«
    (Konrad von Monhaim am 27. Januar 1692 an seinen Ordensoberen)
    In der Straubinger Fronfeste gingen seit mehr als einem Jahr die Kapuziner aus und ein. Die bärtigen Mönche in den braunen Kutten, am Gürtel den Rosenkranz, wimmelten in der Burg, als hätten sie vor, sich hier wie Bienen oder Hornissen einen Stock zu errichten. Die Wachen rissen schon längst ihre Späße, wenn die Geschorenen des Morgens in langer Reihe heranwandelten, um dann tief im Gekröse der Festung zu verschwinden, hinunter zu den Zauberern und Hexen. Tauchte dann freilich der Jesuit auf, der noch schwerer gewordene Georg Straßmayr, der gewesene Inquisitor, dann gefror den Soldaten der Spott. Im Gegensatz zu den wuselnden Kapuzinern pflegte Straßmayr heranzukommen wie ein Stier. Stets stieg er allein hinunter in die Landschaft der Kerker, duldete keinen Begleiter bei sich. Das machte ihn besonders unheimlich.
    Das geistliche und weltliche Gericht hatte die Grueberschen, die beiden Weinzierl und die Eckher verurteilt. Ehe aber der weltliche Arm seine Pflicht tun und die Verdammten zur Schädelstätte schleppen konnte, hatte die Geistlichkeit diese acht Menschen auf das Erwürgen, das Enthaupten, das Verbrennen vorzubereiten. Daß die Grueberschen, die Eckher, die Weinzierl vom Gericht überführt worden waren, genügte nicht. Sie hatten zuerst zu bereuen und ihren Frieden mit Gott zu machen, ehe sie erwürgt, enthauptet und verbrannt werden konnten.
    Diese Reue zu erwecken und diese Gottesliebe – das war die Aufgabe der Mönche, der sie eifrig nun schon ein gutes Jahr lang nachgingen.
    Jeweils zwei oder drei kümmerten sich um einen Delinquenten, beknieten und beflüsterten ihn bei Tag und bei Nacht, ließen selbst dann nicht locker, wenn einer der Todgeweihten sie beschimpfte, sie anspuckte. Seit sechzehn, siebzehn Monaten hämmerten sie den Gefangenen ein, es diene allein ihrem Seelenheil, wenn sie zuletzt brennen würden. Die Kirche hatte sie nicht nur gnadenlos zum Tode verurteilt – sie verlangte auch noch, daß ihr zuletzt, auf der Schädelstätte, aus vollem Herzen Vergebung und Dankbarkeit für diese Todesurteile zuteil werden sollte. Deswegen kämpften und rangen die Kapuziner mit den Verurteilten; deswegen flogen sie Tag für Tag wie Hornissen in ihre verborgenen Nester unter der Erde ein.
    Um die Seele der jetzt fünfzehnjährigen Katharina Grueber kämpfte Straßmayr allein. Die eineinhalb Jahre seit der letzten Sitzung in der Fragkammer hatten den Jesuiten unförmig aufgeschwemmt. Seit er sich in den Kreuzgang hinein übergeben hatte, war seine Freß- und Sauflust schier ins Unermeßliche gewachsen. Sein schwerer Schädel schien jetzt direkt auf den massigen Schultern aufzusitzen; tonnenartig wölbte sich sein Leib unter immer großzügiger geschnittenen Kutten. Wenn er eine längere Strecke gehen mußte, begann Straßmayr schwer zu schnaufen; bläulich schoß es ihm dann ins breitflächige Antlitz. Allein seine Augen waren die alten geblieben; sie hatten sich dem veränderten Körper nicht anpassen können, lagen nach wie vor zu klein in zu tiefen Höhlen, stachen aus den Fleischmassen wie Nadeln, und wenn das linke Lid zuckte, blieb diese winzige Bewegung fremd im klobigen Schädel.
    Aber es war allein dieses Zucken, mit dem es dem Jesuiten gelang, bei Katharina Grueber jene Reaktionen hervorzurufen, die für sein Werk wichtig waren. Wenn es unter seiner breiten Stirn nervös blitzte, tauchte zuweilen auch sie aus ihrer nun schon Jahre währenden Lethargie hoch. Ihr Blick saugte sich dann in den seinen, und Straßmayr durfte dem einzigen Menschen predigen, der ihm nach Jahrzehnten überfüllter Kirchen wirklich etwas bedeutete.
    Rechenschaft darüber, warum dies so war, hätte er sich nicht geben können. Betrachtete er Katharina mit objektiven Augen, so sah er nichts weiter
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