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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen
Autoren: Manfred Böckl
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Hartholzleisten längs des Sattels, um ihn an seine inzwischen krebsig verwucherten Hoden zu erinnern, und dann quollen die Denunziationen auch aus ihm heraus.
    Der Jesuit brauchte mit seinen Opfern jetzt nur noch zu spielen. Mühelos lockte er einen weiteren Blocksbergritt aus der alten Grueberin und ein zusätzliches Leichenmahl aus dem jungen Balthasar, und der Kapuziner notierte nach wie vor alles gewissenhaft, bis zuletzt, im Sommer des Jahres 1690, sein Protokoll auf eintausendzweihundertdreiundsiebzig Seiten angewachsen war.
    Relativ wenige dieser Seiten beschäftigten sich mit Katharina Grueber, mit der doch alles begonnen hatte. Doch diese erste Angeklagte wurde von Straßmayr auf merkwürdige Weise geschont. In dem Jahr, das der Prozeß nun dauerte, hatte er sie nur drei-, viermal zum Verhör kommen lassen, und auch dann war sie nur schonend gefoltert worden. Der Jesuit schien jetzt etwas wie Scheu vor dem Mädchen zu empfinden; die wenigen Male, da sie ihm vorgeführt wurde, zuckte sein Augenlid stärker denn je.
    Nachdem alle anderen zusammengebrochen waren, hatte Straßmayr auch von Katharina ein Geständnis erlangt, doch sie hatte es unbeteiligt, geistesabwesend gegeben, so, als ginge sie das alles in Wirklichkeit gar nichts an. Nackt hatte sie im blutroten Schein der Fackeln gestanden, hatte nicht einmal versucht, ihre Blöße zu bedecken, schien sich ihrer gar nicht bewußt zu sein. Sie hatte die silberne Nadel ertragen, ohne stärker zu zucken, als wenn eine Mücke sie gestochen hätte; sie hatte willig, doch auffallend tonlos, sämtliche Fragen bejaht, die der Jesuit ihr gestellt hatte.
    »Man wird ihre Seele retten können«, hatte Straßmayr einmal zu Monhaim gesagt, als sie Katharina kurz foltern ließen, jedoch nur, um den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen für das Protokoll zu untermauern, und eifrig hatte der Kapuziner zugestimmt.
    Was beide Inquisitoren nicht wußten, war, daß Katharina diese Welt längst verlassen hatte. Innerlich war sie heimgekehrt in die Geborgenheit auf den Knien des verstorbenen Jörg Grueber, in die Schutzzone ihrer ersten Kindheit. Immer noch wiegte sie sich, und immer noch tönten in ihrem Kopf die verballhornten Litaneien, aber sie klangen nun im Gehirn eines zwei- oder dreijährigen Kindes. Das war es, was Straßmayr ihr gegenüber unsicher, seltsam milde werden ließ, aber er begriff es nicht.
    Er begriff es auch nicht, als er Monhaim die Urteile gegen die acht Angeklagten und Überführten diktierte. Dies geschah, als der Sommer des Jahres 1690 in seiner größten Hitze stand. Unter ihren Eisenhauben und Schallern schwitzten die Wachtposten auf den Wehrgängen der Fronfeste, Zillen trieben träge auf der Donau, in den Gassen Straubings verfaulte der Unrat schneller als sonst, und auf den Äckern des Gäubodens senkten sich schwer und reif die Ähren von Hafer und Korn.
    An einem dieser sonnengesättigten Tage, während die Hexen in ihren Verliesen schmachteten, krönte der Jesuit die nunmehr eintausendzweihundertdreiundsiebzig Seiten starke Verdammungsschrift mit den Urteilen. In Gegenwart sämtlicher Beisitzer schrieb mit frisch geschnitzter Feder der Kapuziner sorgsam mit:
    Erwürgt und dann verbrannt werden sollte Gertrud Grueberin, siebenundvierzig Jahre alt, Kätnerin aus Geisling.
    Erwürgt und dann verbrannt werden sollte Johann Grueber, sechsundvierzig Jahre alt, Kätner aus Geisling.
    Enthauptet und dann verbrannt werden sollte Balthasar Grueber, achtzehn Jahre alt, Kätnerssohn aus Geisling.
    Enthauptet und dann verbrannt werden sollte Katharina Grueber, vierzehn Jahre alt, Kätnerskind aus Geisling.
    Erwürgt und dann verbrannt werden sollte Elisabeth Eckhin, neunundvierzig Jahre alt, Kätnerin aus Geisling.
    Erwürgt und dann verbrannt werden sollte Benedikt Eckher, achtundfünfzig Jahre alt, Kätner aus Geisling.
    Enthauptet und dann verbrannt werden sollte Wolfgang Weinzierl, fünfundvierzig Jahre alt, Bauer aus Geisling.
    Enthauptet und dann verbrannt werden sollte Christine Weinzierlin, achtzehn Jahre alt, Bauerstochter aus Geisling.
    Schwungvoll setzte zuletzt Konrad von Monhaim einen Schlußschnörkel unter dieses Urteil. Ein Tintenklecks spritzte auf das Evangelium, das aufgeschlagen auf der Balustrade lag. Keinem fiel der schwarze Wischer in dem heiligen Buch auf.
    Aber sie beteten über dem erlassenen Urteil, gaben sich mit gesenkten Köpfen und gefalteten Händen demütig. Straßmayr sprach vor und sprach nach geraumer Zeit auch das Amen;
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