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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen
Autoren: Manfred Böckl
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danach siegelte und unterschrieb er das Dokument als erster.
    Ihm tat es nach Wolf Hainrich Notthafft, Graf und Herr von Wernberg, dazu Vizedom. Er hieb seine Petschaft in den Lack wie eine Waffe, setzte seinen Titel in schnörkeliger Schrift und mit hochrotem, vom Saufen verdunsenen Gesicht daneben. Danach stand er wuchtig auf, rief nach Rössern und Knechten und ritt stracks, als würde er verfolgt, in nur zwei Tagesreisen nach Wernberg auf sein Schloß. Mit keinem einzigen Wort hatte er sich von den übrigen Richtern verabschiedet.
    Franz von Scherer siegelte mit schmalem Petschaft, schrieb seinen Namen zittrig. Auch er hatte in diesem Jahr zuviel getrunken. Seinem Siegel folgte auf der Urkunde dasjenige Edlmars. Der entledigte sich dieser Pflicht hastig, denn er wollte mit seinem Schererschen Kumpan in die Taverne, zu Weibern, die man endlich nicht mehr foltern mußte.
    Kaspar Michel besaß kein eigenes Siegel, deswegen verwendete er das kurfürstliche der Pfatterer Pflegschaft. Seine Unterschrift daneben wirkte wie die eines unbeholfenen Kindes. Als Lack und Tinte getrocknet waren, musterte er wie ein nach jahrelangem Schlaf Erwachender die beiden Pfaffen, die sich jetzt allein noch in der Fragkammer befanden, verbeugte sich mühsam und entfernte sich ebenfalls aus der Fronfeste. Diesmal ritt er ohne Büttel zurück nach Pfatter. Er ließ sein Roß im Schritt gehen, durch die schwer duftenden Marschen, an erntereifen Feldern vorbei, aber er sah nichts, hörte nichts, kam sich vor, als hätte er sich selbst zerbrochen, indem er das Urteil siegelte. Als er auf dem Pflegschloß anlangte, erschrak sein Weib bis ins Mark: Ihr Gatte sah aus wie ein Toter.
    Konrad von Monhaim setzte sein Siegel pedantisch und genau einen Finger tief unter dasjenige Straßmayrs. Er unterzeichnete mit inzwischen bestens geübter Kanzleischrift, bekreuzigte sich dann und ließ Sand über die Tinte rieseln. »So ist es also nun vollbracht«, sagte er zu seinem jesuitischen Bruder.
    Straßmayr schlug ebenfalls das Kreuz. Dann nickte er. »Es ist ein gottgefälliges Stück Arbeit gewesen«, sagte er. »Ein ganzes Jahr haben wir darüber verbracht. Aber nun ist Geisling vom Teufel befreit.«
    »Noch nicht«, erwiderte der Kapuziner. »Noch freuen sich ja die Hexen in den Verliesen ihres Lebens. Wann wird's zum Brennen kommen?«
    »Ihr wißt wie ich, daß wir zuerst die Reue in ihnen erzeugen müssen«, antwortete der Jesuit. »Da wird's noch einmal kräftig zu tun geben. Zwei, drei Patres für einen Delinquenten. Fragt in Eurem Kloster zu Regensburg an, ob die Brüder uns beistehen werden!«
    »Das soll geschehen, und auch ich selbst werde mithelfen«, versprach Monhaim. »Und Ihr, Straßmayr?«
    »Das ist meine Christenpflicht«, versicherte der Jesuit. »Um die Hauptteufelin werde ich mich kümmern. Um die Katharina Grueber. Und ich werde es alleine tun!«
    Monhaim bekreuzigte sich und sagte anerkennend: »Ihr habt sie nicht nur verurteilt, Ihr reißt sie auch aus dem Höllenpfuhl. Ihr seid ein Heiliger!«
    »Laßt das«, erwiderte Straßmayr, und nun ging auch er. Monhaim blieb allein bei seinem eintausendzweihundertdreiundsiebzigseitigen Protokoll zurück. Fast zärtlich fuhr er mit der Hand über den in mehreren Stapeln liegenden Berg Papier.
    Straßmayr schritt zum Jesuitenkolleg. Er betete für Katharina Grueber und wollte sich im Kloster sofort auf seine Zelle zurückziehen. Doch die anderen Kollegiaten erwarteten ihn bereits. Und weil die Inquisition unter seiner Leitung so glücklich und gottgefällig abgeschlossen worden war, hatten sie ein üppiges Festmahl vorbereitet, auch Wein und sogar Branntwein.
    Straßmayr konnte die Ehre nicht abschlagen, dies wäre nicht brüderlich, nicht christlich gewesen. Also aß und trank er, besoff sich später, hockte im Refektorium als fleischiger Klotz, stierte und sah im Schleier des Alkohols, wie seine Mutter von den Marodeuren vergewaltigt wurde, wie aus der Mutter Katharina Grueber wurde und aus dem bockenden Soldaten er selbst. Ineinander schwammen die Bilder und durchdrangen sich, bis er es nicht mehr ertrug.
    Ihm wurde schwach und elend. Taumelnd hastete er hinaus und übergab sich sprudelnd mitten hinein in den Kreuzgang. So sprach er sich sein eigenes Urteil, ohne daß ihm dies jemals bewußt werden würde.
    ***
    Kaspar Michel, zurück auf seinem abgelegenen, geschützten Pfatterer Pflegschloß, blieb tagelang stumm, aß und trank kaum. Tagsüber strich er allein durch die
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