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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen
Autoren: Manfred Böckl
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Plattform des Fählturms mit seinen mehr als fünf Meter dicken Mauern abspielte, trieben unten die achtzig Mann des Obristen Lorenz Nusse die erbeuteten Wagen und Rinder in die Burg Donaustauf. Die Männer grölten und prahlten mit ihren Taten. Auch der Oberst selbst war bester Laune, denn durch den erfolgreichen Beutezug hatte sich die Fourierung der Festung mit einem Schlag ganz ungeahnt verbessern lassen. Nusse ordnete an, die 120 Zugochsen auf der Stelle zu schlachten und das Fleisch mit Hilfe der Salzscheiben, mit denen die Wagen beladen waren, einzupökeln.
    Das Schlachten der Ochsen und das Einpökeln der Fleischmassen nahm mehrere Tage in Anspruch; der Jahreswechsel von 1633 auf 1634 ging darüber hin, doch in den ersten Januartagen war der ganze Vorrat in den Gewölben eingelagert. Und die bayerischen Soldaten spotteten über die Schweden und deren Feldherrn Bernhard von Weimar, die scheinbar untätig in der nur zwei Reitstunden entfernten Stadt Regensburg lagen. Sie spotteten zu früh.
    Es war gegen Mittag des 16. Januar, als die Schweden unter Führung des Generalmajors Lars Kagge die Burg einschlossen. Die Belagerung selbst begann am Morgen des 17. Januar mit einem heftigen Sturm der Protestanten, der jedoch abgeschlagen werden konnte. General Kagge wurde verwundet, blieb aber im Kommando und ließ während der folgenden Tage eine schwere Kanonade auf die Burg durchführen.
    Jörg Grueber und seine inzwischen nur noch etwa fünfzig Mitstreiter verteidigten sich verbissen, und der Tod, den er jetzt ständig vor Augen hatte, machte den neunzehnjährigen Musketier beinahe von Stunde zu Stunde schwermütiger. Trotzdem tat Jörg seine vermeintliche Pflicht, auch dann noch, als die Munition knapp wurde und der Obrist Nusse neben anderen auch ihn zu einem Ausfall kommandierte.
    Wieder sah er den Tod und tötete selbst, doch der Ausfall blieb im Ansatz stecken. Die Bayern wurden in den Mittelabschnitt der Burg zurückgetrieben, mit ihnen drangen die Schweden in die Festung ein.
    Jörg zog sich mit den Überlebenden seiner Truppe in die Hauptburg zurück, einen wuchtigen Klotz auf der Kuppe des Berges, in dessen zweigeschossiger Kapelle schon Albertus Magnus die Messe gelesen hatte. Diese Hauptburg wurde jetzt noch von etwa dreißig Mann verteidigt.
    Als die Schweden den Palas und die ihn umgebenden Gewölbe zu unterminieren begannen, hatte Jörg Grueber bereits hohes Fieber. Die meisten der jetzt noch lebenden zwanzig Bayern waren kaum besser dran. Auch an Munition befand sich kaum noch ein Schuß Pulver auf der Burg, und so blieb dem glücklosen Obristen Nusse nichts anderes übrig, als gegen Zusicherung eines ehrenvollen Abzugs nach Ingolstadt die Burg Donaustauf an die Schweden zu übergeben.
    Unter den Abziehenden befand sich auch Jörg Grueber. Er fieberte immer noch schwer, brachte es aber dennoch fertig, sich in die vereisten Büsche zu schlagen, kaum daß das zusammengeschrumpfte Fähnlein Nusses den Schweden aus den Augen gekommen war. Niemand hatte die Desertion des Neunzehnjährigen bemerkt, und so gelang es ihm, die Wälder nördlich von Donaustauf zu erreichen und sich in ihnen mühsam, oft auf Händen und Füßen kriechend, nach Osten vorzuarbeiten, wo sein Heimatdorf Geisling lag.
    Jörg hatte die paar elenden Hütten und Höfe an der Donau noch nicht erreicht, als ihn eine fürchterliche Explosion aus seinem Dämmerzustand hochjagte: Nachdem die Schweden die Lager der Burg geräumt hatten, hatten sie die Festung Donaustauf bis auf die halbe Höhe der Mauern gesprengt. Jörg Grueber, nur wenige Meilen entfernt, sah die feurige Lohe gen Himmel fahren. Er stürzte auf die Knie und rang die Hände wie zum Gebet. In seinem Fieberwahn wurde ihm das Feuer der Explosion zum Fegefeuer, und er sah die Seelen all derer unerlöst darin sich winden, die während der letzten Wochen und Monate vor seinen Augen gestorben waren. Dieses Bild hat Jörg Grueber seiner Lebtag nicht mehr losgelassen.
    ***
    Drei Tage nach dem Fall der Burg Donaustauf näherte sich ein zerlumpter Kerl mit fieberglühendem Gesicht dem armseligen Knüppelzaun, der das Dorf Geisling an der Donau umfriedete. Als er den westlichen Durchlaß mit augenscheinlich letzter Kraft erreicht hatte, wankte er wie ein Betrunkener, griff hilfesuchend nach einem von Rauhreif überkrusteten Pfosten und brach gleich darauf zusammen. Aus dem nächstgelegenen Gehöft schoß ein struppiger Köter herbei und verbiß sich knurrend in den Schenkel des
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