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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen
Autoren: Manfred Böckl
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Degen.
    ***
    »Die Jungfrau wird dir gnädig sein! Du wirst in die Ewigkeit eingehen, als glittest du von einem schlimmen Traum hinüber in einen schönen. Du mußt deswegen sehr froh und dankbar sein, Katharina!« Wieder hielt der Inquisitor seine Hände auf den Schultern des Mädchens, wieder baumelte über der mageren Schlüsselbeingrube der winzige silberne Gekreuzigte. Stundenlang hatte Straßmayr mit der Verurteilten gebetet – er mit kräftiger Predigerstimme, fordernd, bestimmt, Katharina stammelnd, manchmal lallend, aber die ganze Zeit so willig wie noch nie. Jetzt spürte der Jesuit genau, daß er sich um diese Seele nicht mehr zu sorgen brauchte. Sie war gerettet für alle Ewigkeit.
    Er drückte die schmale Schulter fester. »Ich danke dir, daß du mich dich erretten ließest, mit Gottes Hilfe«, flüsterte er dem Mädchen zu. Er blickte Katharina fest an; sein Augenlid hatte diese ganze Nacht nicht einmal gezuckt. »Wie mein eigenes Kind bist du mir nun geworden«, flüsterte er. »Wie ein geliebtes Weib …«
    »Ja«, erwiderte Katharina gehorsam und schmiegte vertrauensvoll die ausgemergelten Schultern in diese riesigen Hände, die ihr Wärme und Geborgenheit vermittelten.
    Der Inquisitor verspürte ein Glücksgefühl, wie er es noch nie in seinem Leben gekannt hatte, ausgenommen vielleicht in seiner frühesten Kindheit, ehe er im Ginstergestrüpp gesehen und gewürgt hatte. Etwas Heißes schwemmte durch seine Brust, sein Gehirn. Er beugte sich noch näher zu dem Mädchen. »Von nun an sollst du keine Fesseln mehr tragen müssen«, flüsterte er. Christine Weinzierl röchelte im Schlaf. »Du bist frei«, raunte der Inquisitor. »Frei …«
    Im Schein der Pechfackel glänzte matt der Schlüssel. Das gebartete Metall senkte sich in das Schloß der Schellen an Katharinas Handgelenken; die Bügel öffneten sich, Rost fluderte ins Stroh. »Frei wie ein Engel wirst du in die Ewigkeit eingehen«, flüsterte der schwere Mann. Dann zog er das Mädchen in seine Arme, barg den ausgemergelten Körper an seinem mächtigen Leib wie in einem Nest. »Frei für die Ewigkeit«, raunte er, schluchzend fast, »du – und ich …« Katharina Grueber antwortete nicht. Aber sie schmiegte sich, so fest sie konnte, in dieses Gebirge von Armen, in diese Wärme von Mann. Das Verlies existierte nicht mehr für sie. Sie war weit zurückgeglitten in lange verstrichene Zeit. In der armen Kate zu Geisling lag sie geborgen in den Armen Jörgs, hörte den Ahnen flüstern, spürte, wie er sie flüsternd wiegte – schöner konnte nichts sein.
    Ganz zuletzt sagte sie dann noch etwas: »Die arme Seel' erlöst …«
    »Benedicat te Dominus«, flüsterte der Inquisitor, ehe er das Mädchen zurück auf die Strohschütte sinken ließ. »Zu beneiden bist du! Wirst wie ein Engel hinüber in die Ewigkeit schweben …«
    Im Fackelschein lächelte Katharina Grueber, nun sehr schläfrig, den großen Mann an.
    »Benedicat!« wiederholte Straßmayr, dann verließ er mit einer letzten segnenden Gebärde den Kerker.
    ***
    Kaspar Michel war unangefochten an den schlafenden Wachtposten vorbei in den Innenhof der Fronfeste gelangt. Er wandte sich nach rechts, dem donauseitigen Trakt zu, wo tief unter dem Grundwasserspiegel die Verliese lagen. Gott sei Dank blieb der Gaul, den er draußen gelassen hatte, ruhig. Nur wenige Schritte noch, dann würde der Pfleger im Schutz des Kerkergebäudes untertauchen können. Kaspar Michel ging trotz seines schmerzenden Knöchels schneller.
    Aus dem verschatteten Gestein löste sich etwas Wuchtiges, kam in dunkler Kutte genau auf den Pfleger zu. Der fühlte sein Herz wie wild bis zum Hals schlagen, erkannte den Jesuiten, den Inquisitor, erstarrte an der Stelle, wo er sich gerade befand, den Degen zum Stoß bereit.
    Doch der Jesuit bemerkte ihn nicht zwischen den Schatten. Die Kutte wehte heran, streifte den Pfleger sogar, aber die Augen Straßmayrs wirkten stier, schienen durch den anderen hindurchzublicken, und wie ein Phantom tauchte der Mönch wieder in der schneestiebrigen Dunkelheit unter.
    Kaspar Michel stand da, jetzt nicht mehr frierend, sondern in Schweiß gebadet. Der lederbezogene Degengriff in seiner Rechten fühlte sich glitschig an. Das Trommeln seines Herzens ließ seinen Schädel dröhnen. Zur kleinsten Bewegung war er, der so weit in das Innere der Fronfeste vorgedrungen war, jetzt unfähig. Er stand da wie eine Statue, schweißnaß an allen Gliedern, minutenlang.
    Dann wurde seine Angst
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