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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen
Autoren: Manfred Böckl
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übermächtig. Hätte der Jesuit mich entdeckt, dann wäre ich jetzt schon gefangen, schoß es ihm durch den Kopf. Ich hätte mich nicht herauswinden können – die Waffen, der Gaul … Und ich hätte mich auch nicht wehren können.
    In diesem Moment begriff Kaspar Michel, daß er unfähig war, in die Verliese einzudringen, das Mädchen herauszuholen, mit ihm über die Grenze zu fliehen. Es wurde ihm bewußt, daß er doch zu feige dazu war. Seine Angst war stärker als seine Scham. Der Inquisitor, der wie ein Gespenst über den Hof geschritten war, hatte es ihm gezeigt. Der Pfleger war hinter der roten Balustrade machtlos gegen den Jesuiten gewesen; er war es auch jetzt. Der Mönch hatte ihn ebenso gebrochen wie diejenigen, die sich auf der Folterbank gewunden hatten.
    Kaspar Michel wandte sich, kaum noch erträglichen Schmerz im Knöchel, um und begann zu rennen. Er kam ungeschoren durch den Torbau, an den immer noch schlafenden Wachen vorbei. Zerrte sein Roß weg. Wagte nicht aufzusitzen, bis er sich ein gutes Stück von der Fronfeste entfernt hatte. Erst dann zog er sich mühsam in den Sattel, bemerkte dabei erstaunt, daß er noch immer den Degen in der Hand hielt. Als die Klinge schleifend in die Scheide fuhr, zuckte Kaspar Michel zusammen. Ihm war, als hätte er sie sich ins eigene Fleisch gestoßen.
    Er trabte an, dumpf das Stakkato der Hufe auf fausthoher Schneedecke. Am westlichen Stadttor fand er einen, der ihn durch die Eselspforte hinaus ins Freie ließ. Er warf dem verwunderten Wächter eine Münze zu und trieb sein Roß wie ein Verrückter hinein in die Schneenacht. Er hätte sich bei dem wahnsinnigen Ritt den Hals brechen können, doch das wurde ihm gar nicht bewußt. Denn er sah vor sich, zwischen den Ohren des Gauls, nicht das vereiste nächtliche Land, sondern die ganze Zeit nur ein ausgeschundenes Mädchen; den armen Leib Katharinas, der sich über dem Scheiterhaufen wand.
     

Die Hinrichtung
    9. Januar 1692
    »Es verdient auch gesagt zu werden, daß der junge Balthasar an seinem Hinrichtungstag keineswegs dazu gebracht werden konnte, auch nur ein wenig Speise oder Trank zu sich zu nehmen. Er sagte, er wolle, um einen glücklichen Tod zu erleiden, nüchtern bleiben und das heilige Mahl im Himmel abwarten. Daraufhin wurden er und seine Schwester Katharina Grueber bei der Ortschaft Haidau geköpft, was aber nicht sehr glücklich vonstatten ging. Denn es brauchte drei Schläge, um das Haupt des Mädchens, zwei, um das Haupt des Jünglings vom Körper zu trennen. Um so mehr darf man hoffen, daß ihre Seelen dafür schneller zum Himmel emporgestiegen sind.«
    (Konrad von Monhaim am 27. Januar 1692 an seinen Ordensoberen)
    Die Straubinger Hinrichtungsstätte lag abseits der Stadt, im Gäu, dem Dorf Mangolding zu. Ein paar Häuser nur, dieses Haidau, eines davon ständig vom Scharfrichter bewohnt. In der Nacht vom achten auf den neunten Januar hatte der seinen Bihänder geschliffen, dabei aber auch Branntwein getrunken.
    Als er im ersten Tageslicht aus dem Haus trat, brach sich die tiefstehende Morgensonne scharf in den Scharten der handbreiten Klinge.
    Der Henker ging, etwas schwankend noch, zum Richtplatz, wo seine Söhne bereits gestern die beiden Pfähle eingerammt und davor die Scheiterhaufen aufgeschichtet hatten. Etwas seitlich wurzelte der Richtblock im gefrorenen, aber aufgehackten Boden. Der Klotz war aus einem Eichenstamm gesägt und, wo er in der klammen Erde steckte, mit Beilhieben grob zugespitzt. Die Platte oben zeigte am einen Ende eine Muldung. Der Scharfrichter holte aus und hieb probeweise den Bihänder in das Holz bis zur halben Breite der Klinge. Dumpf sang und zitterte das Schwert nach.
    Die Sonne stand erst eine Handbreit über dem verschneiten Horizont, als von der Donau her der Zug der Straubinger sichtbar wurde. Anfangs nur winzige Püppchen auf gewundenem Feldweg, doch dann wurden sie größer, und Einzelheiten schälten sich heraus. Voran kam ein Fähnlein geharnischter Knechte; der Offizier beritten, mit federverbrämtem Dreispitz, die Soldaten mit geschulterten Piken, die wie ein Rechen über den flachen Gäu zu treiben schienen. Gleich dahinter der Karren mit den beiden Todgeweihten. Hinter hölzernem Gitter Katharina und Balthasar Grueber – stehend, die Handgelenke an die Fichtensprossen gefesselt. Ein Rudel Kapuziner tappte braunkuttig nebenher. Manche redeten eifrig auf die Verurteilten auf dem Karren ein, andere beteten oder schwelgten lautstark in der
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