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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street
Autoren: Helene Hanff
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kamen an der Wimpole Street und der Harley Street vorbei – und wo war ich: in einem
Auto;
ich hatte das Gefühl, in einem Metallkäfig zu sitzen und nicht raus zu können, aber es regnete. Am ersten regenfreien Tag gehe ich zu Fuß dorthin.
    Es gibt einen Crescent, eine halbmondförmige Straße, mit Nash-Häusern – ich weiß nicht genau, wann Nash gelebt hat, aber er hat prächtige weiße Häuser gebaut, die nach Beau Brummel und Lady Teazle riechen –, und als der Regen ein wenig nachließ, stiegen wir aus dem Auto und setzten uns einen Moment auf eine Parkbank, damit ich die Häuser betrachten konnte. Wir überlegten, welche Häuser wir kaufen würden, falls wir im nächsten Leben reich zur Welt kämen.
    Nora hat mir erzählt, dass sie vor dem Krieg als armes Dienstmädchen aus Irland nach London gekommen sei. Sie hat in einem der Häuser der Reichen als Küchenmädchen gearbeitet, wo sie das Brot hauchdünn schneiden und mit Gurke belegte Sandwiches zubereiten musste.
    Zum Abendessen fuhren wir nach Highgate, wo Nora wohnt. Sie und Sheila haben sich da ein Haus gekauft, als Frank starb und die jüngere Tochter heiratete. Auf dem Weg dorthin kamen wir durch Hampstead Heath, und Nora hielt an dem Friedhof, auf dem Karl Marx beerdigt liegt. Die Tore waren verschlossen, aber ich habe über die Mauer zu ihm rübergeschaut.
    Das Haus liegt in den Hügeln im Norden Londons, an einer attraktiven Vorstadtstraße, die eine einzige Rosenpracht ist, denn in jedem Vorgarten stehen blühende Rosen. Ein einziges Farbenmeer, wie der Herbst in Neuengland: nicht nur Rot und Rosa und Gelb, sondern auch Lavendel, Blau, Purpur und Orange. Jede Farbe hat ihren eigenen Duft, und ich bin fast übergeschnappt, als ich mich durch Noras Garten schnupperte.
    Zum Nachtisch gab es Erdbeeren und dicke englische Sahne, und als Nora nur noch eine Erdbeere auf dem Teller hatte, sah sie Sheila entsetzt an und sagte: »Es ist schon wieder ›nie‹ rausgekommen, Sheila!«
    Sie isst die Erdbeeren nach dem alten Kinderreim, der einem sagen soll, wann man heiraten wird: »Dieses Jahr, nächstes Jahr, irgendwann, nie.« Wenn die letzte Erdbeere auf »nie« fällt, muss Sheila sie trösten. Sheila ist mehr Mutter als Stieftochter.
    Nora hat mir einen ganzen Arm voll frischer Rosen geschnitten, und Sheila hat mich zurückgefahren. Sie unterrichtet an einer Vorstadtschule. Es gibt zwei Männer, die sie umwerben; ich glaube, beide langweilen sie, sie hat den Mann, den sie heiraten möchte, noch nicht gefunden.
    Große Aufregung in der Halle, als ich ins Hotel komme, wegen des Interviews im
Evening Standard.
Einer der Männer an der Rezeption hat mir ein Exemplar aufgehoben.
    Hier ein Auszug:
    So trifft sie in London ein, ausgesprochen fesch in einem schicken dunkelblauen Hosenanzug von Saks und einem Foulard mit einem französischen Knoten.
    Da bringt man sich fast um, weil man einen Ascot-Knoten binden will, und das Ergebnis ist ein französischer Knoten!
    Wenn die wüssten, wie lustig ich es finde, wenn man mich schick nennt. Ich trage die gleichen Sachen, die ich mein Leben lang getragen habe, und seit Jahren gelte ich als etwas ungepflegter Künstlertyp. Meine Schwägerin Alice zum Beispiel hat sich jahrein, jahraus die Hacken wund gelaufen nach einer Schultertasche, die sie mir zu Weihnachten schenken konnte, weil ich mich weigerte, mit Handtasche zu gehen, aber kein Mensch benutzte Schultertaschen, deswegen wurden sie nicht hergestellt. (Wenn man eine Handtasche hat, muss man sich entscheiden, was man mitnehmen will: das Portemonnaie, die Brille oder die Zigaretten. Wählt man zwei von den dreien, kriegt man die Tasche vielleicht noch zu.) Ich habe auch nie hochhackige Schuhe getragen, weil ich gern zu Fuß gehe, und das ist unmöglich, wenn einem die Füße wehtun. Und ich habe immer nur Jeans oder Hosen getragen, weil Röcke im Winter so zugig sind und mich beim Gehen behindern, und außerdem sieht man die Laufmaschen nicht, wenn man Hosen trägt.
    Also bot ich modisch gesehen jahrelang einen schauderhaften Anblick, in flachen Schuhen und Hosen und mit Schultertasche. Ich laufe immer noch so herum – und nachdem ich damit mein Leben lang eine Außenseiterin war, bin ich jetzt modisch so aktuell, dass mein Hosenanzug im
Evening Standard
begeisterte Erwähnung findet.

Sonntag, 20 . Juni
    Bin nach dem Frühstück mit meinem Stadtplan aufgebrochen und habe mir die Sehenswürdigkeiten von Bloomsbury angesehen. Hab mich mehrmals verlaufen;
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