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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street
Autoren: Helene Hanff
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dass sie Stiefmutter und Stieftochter sind. Sheila ist eine attraktive junge Frau Mitte zwanzig, lakonisch, unaufgeregt. (»Genau wie Frank«, sagte Nora.)
    Nora fand die Tatsache, dass sie selbst und der Colonel seit zwei Jahren verwitwet waren, bemerkenswert. Er hat ein Kind, eine Tochter, die am Samstag außerhalb Londons heiratet.
    »Warum ziehen Sie drei sich nicht Ihre feinsten Kleider an und kommen zur Hochzeit?«, lud er uns alle ein. »Es wird eine großartige Feier.«
    Ich lehnte ab, und Nora war offensichtlich der Meinung, dass sie nicht gehen könnte, wenn ich nicht ging, also lehnte sie ebenfalls – bedauernd – ab. (»Ich kenne ihn gar nicht«, sagte sie, als wir allein waren. Und ich sagte: »Kennt ihn überhaupt jemand?!«)
    Nora erklärte, dass sie mir den morgigen Tag zum Ausruhen lassen und mich am Samstag anrufen würde, wegen des Interviews. (»Die BBC macht mit uns zusammen ein Interview! Helen, Sie haben uns alle berühmt gemacht!«)
    Der Colonel sagte, er sei die nächste Woche nicht in der Stadt und würde sich melden, wenn er zurück sei, um mit mir »einen kleinen Ausflug in unsere herrliche englische Landschaft zu unternehmen«.
    Ich ging in mein Zimmer, packte ein paar Sachen aus und nahm meine Post mit ins Bett.
    Eine Postkarte von Eddie und Isabel, alten Freunden aus New York. Sie sind am Montag in der Stadt und wollen mich zu einer Besichtigungstour abholen.
    Ein Brief von Carmen bei André Deutsch:
    Willkommen!
    Ich weiß, dass Sie sehr müde sein werden, aber leider haben wir mit einer Reporterin vom Evening Standard ausgemacht, dass sie Sie morgen um zehn Uhr hier treffen kann. Es wird Sie jemand kurz vor zehn Uhr abholen.
    Am Samstag um 14.30  Uhr wird die BBC ein Interview mit Ihnen und Mrs. Doel für »The World This Weekend« machen.
    Montag um 15.30  Uhr – Interview für »Woman’s Hour«, auch bei der BBC .
    Am Dienstag – Besuche bei verschiedenen Buchhandlungen, einschließlich Marks & Co. (die zwar geschlossen ist, aber noch steht, wir wollen dort Fotos von Ihnen machen), und um 14.30  Uhr eine Signier-Party in Poole’s Bookshop nebenan, 86 , Charing Cross Road.
    Am Dienstagabend gibt André Deutsch ein Abendessen für Sie, wo Sie die Verlagsmitarbeiter sowie einen bekannten Journalisten kennen lernen werden.
    Ich war mir unsicher, ob ich mir die ganzen Termine merken könnte, also stieg ich aus dem Bett und machte kurzerhand aus einem Notizheft einen Terminkalender. Außerdem war ich mir unsicher, wie ich Carmen eröffnen sollte, dass ich mich nicht fotografieren lasse. Ich bin neurotisch, ich mag mein Gesicht nicht.
    Ich liege im Bett und höre dem Regen zu, und nichts erscheint mir wirklich. Ich bin in einem angenehmen Hotelzimmer, das überall auf der Welt sein könnte. Nach all den Jahren des Wartens habe ich kein Gespür dafür, dass ich in London bin. Nur ein Gefühl der Ernüchterung und aus meinem Unterleib die Regung, dass die ganze Reise unnötig war.

Freitag, 18 . Juni
    Um acht klingelte der Wecker, und ich stand auf und ging zum Fenster, um nachzusehen, ob es noch regnete. Ich zog den Vorhang zurück – und solange ich lebe, werde ich diesen Moment nicht vergessen. Auf der anderen Straßenseite stand eine ordentliche Reihe schmaler Backsteinhäuser mit weißen Stufen davor und sah zu mir hinauf. Es waren ganz gewöhnliche Häuser aus dem achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert, aber ein Blick auf sie genügte, und ich wusste, dass ich in London war. Ich war wie berauscht, wollte nichts wie raus auf die Straße. Ich schnappte mir meine Sachen und sprang ins Bad – wo ich mich mit der verrücktesten Dusche, die man je gesehen hat, in einen aussichtslosen Kampf verstrickte.
    Die Dusche ist eine ein Meter zwanzig breite Kabine und hat nur einen nicht verstellbaren Duschkopf, dessen Strahl in die hintere Ecke gerichtet ist. Man dreht den Hahn auf, und das Wasser ist kalt. Man dreht weiter, und bis das Wasser heiß genug ist, ist der Hahn bis zum Anschlag aufgedreht. Dann klettert man in die Duschwanne, hockt sich in die hinterste Ecke und ertrinkt. Die Seife glitt mir aus der Hand, und die fünfzehn Dollar teuren Bemühungen meines Friseurs waren hinüber, weil meine Duschkappe mir von der Kaskade vom Kopf gerissen wurde. Ich drehte den Hahn zu und stieg dankbar aus dem Becken – in eine kniehohe Überschwemmung. Ich brauchte eine Viertelstunde, um den Boden trockenzuwischen, wozu ich die Badematte und zwei Badehandtücher benutzte,
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