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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street
Autoren: Helene Hanff
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sich finden?! Warten Sie hier.«
    Er setzte mich bei einem Informationsschalter ab und schritt davon. Kurz darauf kam eine Ansage über das Lautsprechersystem, Mrs. Doel möge bitte zum Informationsschalter kommen – und eine hübsche, schwarzhaarige Frau duckte sich unter dem Seil unmittelbar vor mir hindurch, drückte mir einen Bund Rosen in die Arme und küsste mich.
    »Sheila hat gleich gesagt, dass Sie es sind!«, sagte Nora mit einem deutlich irischen Akzent. »Wir haben uns alle Frauen, die aus dem Flugzeug gekommen sind, angeguckt. Und ich habe gesagt: ›Die ist zu blond‹ und ›Die ist zu gewöhnlich‹. Und Sheila hat die ganze Zeit gesagt: ›Die Kleine in dem blauen Hosenanzug ist es, sie sieht so aufgeregt aus.‹«
    Der Colonel kam zurück und wurde vorgestellt, und dann gingen wir zu Noras Auto. Sie und Sheila setzten sich nach vorn, ich kletterte auf den Rücksitz, und der Colonel verkündete, er würde in seinem Wagen folgen, es sei denn, Sheila wolle, dass er vorausfahre. Kannte sie den Weg zum Cumberland?
    »Zum Kenilworth«, stellte ich richtig. Ich klärte ihn über die zwei Hotelzimmer auf, und der Colonel sah mich entsetzt an.
    »Wenn das so ist«, dröhnte er, »dann bekommt jetzt eine wildfremde Person ein Zimmer voll schöner Rosen!«
    Er machte sich auf den Weg zum Cumberland, um seine Rosen zurückzufordern, und ich wurde mit Noras Rosen im Arm zum Kenilworth gefahren und dachte: »It was roses, roses, all the way«, aber mir fiel nicht ein, wer das geschrieben hatte.
    Es war dunkel und regnerisch, und wir fuhren auf einer Schnellstraße, die jede andere Schnellstraße hätte sein können, die in irgendeine große Stadt führt, anstelle der Straße, die in die Stadt führte, die ich mein Leben lang hatte sehen wollen. Nora machte mir Vorhaltungen, dass ich nicht bei ihnen im Norden Londons wohnen wollte (»Frank hat immer gewollt, dass Sie bei uns wohnen«), und als wir in die Stadt kamen, zeigten beide mir einige Sehenswürdigkeiten.
    »Da ist Piccadilly!«
    »Das hier ist das West End.«
    »Hier ist die Regent Street.« Und dann sagte Sheila: »Jetzt sind Sie auf der Charing Cross Road, Helene!«
    Ich blickte hinaus in die Dunkelheit und wollte etwas Passendes sagen, aber außer engen, nassen Straßen und ein paar erleuchteten Bekleidungsgeschäften konnte ich nichts sehen, und ich hätte ebenso gut im Stadtzentrum von Cleveland sein können.
    »Ich bin angekommen«, sagte ich. »Ich bin in London. Ich habe es geschafft.« Aber es hatte etwas Unwirkliches.
    Wir fuhren nach Bloomsbury hinein und fanden an der Ecke einer dunklen Straße das Kenilworth, ein altes Backsteingebäude mit einer verblichen-vornehmen Empfangshalle – gerade richtig für mich.
    Ich meldete mich an, und der junge Mann an der Rezeption gab mir ein paar Briefe. Dann fuhren Nora, Sheila und ich nach oben, um das Zimmer Nummer  352 in Augenschein zu nehmen. Es war hübsch und gemütlich, und die zugezogenen Vorhänge sperrten den Regen aus. Nora sah skeptisch von der Tür hinein und verkündete:
    »Es ist wunderbar, Helen.«
    »Ich heiße Helene«, sagte ich.
    Sie sah mich überrascht, aber unbeeindruckt an.
    »Ich nenne Sie seit zwanzig Jahren ›Helen‹«, sagte sie und warf einen Blick ins Badezimmer. Es hatte eine Dusche, aber keine Badewanne. »Guck mal, Sheila, sie hat ihr eigenes Klo!«
    Sheila glaubt, dass das englische Wort »loo«, das Toilette bedeutet, mit Waterloo zu tun hat.
    Als wir wieder nach unten kamen, trafen wir in der verschlafenen Halle den Colonel, der vor Wut schnaubte: Er hatte seine Rosen halb verwelkt auf dem Boden des Paketraums im Cumberland gefunden und sich mit dem Geschäftsführer angelegt.
    Wir gingen in den Speiseraum, der zwar leer, aber noch geöffnet war, und der Colonel machte einen jungen spanischen Kellner ausfindig, der sagte, sein Name sei Alvaro und wir könnten Sandwiches und Tee oder Kaffee bestellen.
    »Sie rauchen zu viel«, verkündete Nora, nachdem wir bestellt hatten.
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Und Sie sind zu dünn«, fuhr sie fort. »Ich weiß ja nicht, was das für ein Chirurg war, der Sie so kurz nach der Operation hat reisen lassen. Eine Totaloperation ist eine sehr ernste Sache.«
    »Wirklich, Mum?«, sagte Sheila sanft mit ihrem von der Universität geprägten Akzent. Sie und Nora wechselten Blicke, und Nora kicherte.
    Sie sind erstaunlich: Sie sprechen in einer Art Code und beenden die Sätze der jeweils anderen, und man würde nie darauf kommen,
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