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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street
Autoren: Helene Hanff
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anscheinend kann eine Straße auf dem Stadtplan links eingezeichnet sein, ohne dass sie notwendigerweise auch links vom eigenen Standort ist. Etliche Männer verließen den Schutz ihrer Regenschirme, um mir den Weg zu weisen.
    Am Nachmittag klarte es auf, und jetzt liege ich in einem Liegestuhl in einem Park ganz in der Nähe und lasse mich vom Nebel verwöhnen. Unweit des Hotels gibt es drei taschentuchgroße Parks. Dieser befindet sich unmittelbar hinter dem British Museum. Auf dem Schild am Tor heißt es:
    Russell Square
    –––
    Bitte keinen Abfall zurücklassen
    –––
    Hundebesitzer werden gebeten, auf ihre Hunde aufzupassen.
    In der Mitte des Platzes ist ein Rosengarten um ein äußerst praktisches Vogelbad herum angelegt: eine Marmorplatte mit einem dünnen Wasserstrahl in der Mitte. Ein Vogel kann auf der Platte stehen, trinken oder sich die Federn waschen, ohne zu ertrinken. Ich wünschte, dass der, der das hier entworfen hat, sich des englischen Duschproblems annehmen würde.
    Soeben trat ein älterer Herr in Uniform auf mich zu, verneigte sich und sagte:
    »Vier Pence, bitte.«
    Für die Benutzung des Liegestuhls.
    Er entschuldigte sich für das Wetter, er und ich sind die einzigen Menschen im Park. Ich sagte, der Regen sei gut für die Rosen, und er erzählte mir, dass die Gärtner der Londoner Parks jedes Jahr einen Wettbewerb veranstalten, wer die besten Rosen züchtet.
    »Ich glaube, dieses Jahr hat unser Mann eine Chance«, sagte er. Ich antwortete ihm, dass der Gärtner am Russell Square sich meiner Unterstützung gewiss sein könne.
    Muss mir jetzt meinen marineblauen Hosenanzug für Pat Buckley anziehen. Vielleicht bin ich auch gemein und behalte meinen zweitbesten kaffeebraunen Hosenanzug an, wegen des Wetters.

Mitternacht
    Seit einer Stunde sitze ich auf der Bettkante und bin völlig benommen. Ich habe ihm gesagt, wenn ich heute Nacht sterbe, dann sterbe ich glücklich; denn es ist alles hier, wirklich alles.
    Pat Buckley wohnt in Rutland Gate, das ist unten in Knightsbridge oder Kensington, unter dem linken Rand meines Stadtplans; ich nahm mir ein Taxi. Rutland Gate ist eine kleine Anlage von weißen Steinhäusern, die um einen grünen Platz gebaut sind. Alles in London liegt um grüne Plätze, sie sind wie kleine Oasen.
    Er hat eine Wohnung im Erdgeschoss. Ich läutete, und er öffnete die Tür und sagte:
    »Hallo, Sie haben also hergefunden.«
    Er ist zierlich – schmal gebaut, schmales Gesicht, unbestimmtes Alter – und hat eine dieser zarten, fast brüchigen englischen Stimmen, angenehm und dabei neutral. Er nahm mir mein Jackett ab und führte mich in einen Oscar-Wilde-Salon. An der Wand hängt ein lebensgroßes Porträt von seiner Mutter als Debütantin in dem Kleid, in dem sie bei Hofe vorgestellt wurde. An einer anderen Wand steht eine Vitrine, in der seine Sammlung von silbernen Visitienkartenetuis ausgestellt ist – kleine, viereckige Etuis: Gold, Silber, Onyx mit Einlegearbeiten aus Perlen, Elfenbein mit eingelassenen Goldfäden, keines wie das andere. Die Sammlung ist sein Hobby, und sie ist umwerfend.
    Er brachte mir ein Glas Sherry, und als ich sagte, ich fände Eton sehr beeindruckend, brachte er mir sein Eton-Jahrbuch und zeigte mir Fotos von seinen Zimmern dort.
    Wir aßen im Esszimmer an einem polierten Mahagoni-Tisch, der mit schwerem englischem Silber gedeckt war. Er hat eine Haushälterin, die für ihn und seine Gäste ein kaltes Abendessen zubereitet, den Kaffee macht und den Tisch deckt, bevor sie geht. Der Tisch war so gedeckt wie bei uns – links die Gabel, rechts das Messer und der Löffel –, aber quer oben über dem Teller lagen eine Austerngabel und ein Suppenlöffel. Ich wartete, bis er das Besteck nahm, damit ich erfuhr, was man damit machte.
    Es gab Geflügelsalat und danach Erdbeeren mit Sahne, und dafür benutzt man das quer liegende Besteck: Man spießt eine Erdbeere mit der Austerngabel auf und nimmt Sahne mit dem Suppenlöffel, streift die Erdbeere auf den Löffel und schlürft sie mit der Sahne zusammen weg.
    Nach dem Essen stiegen wir in sein Auto. Er fragte mich nicht, was ich gern sehen würde, sondern fuhr mich zu der Ecke, wo das Globe Theatre gestanden hat. Heute ist da nichts, der Platz ist leer, und ich bat ihn anzuhalten und stieg aus; ich stellte mich auf den leeren Platz und hatte das Gefühl, mir würde der Kopf davonfliegen.
    Er stieg auch aus, und gemeinsam erkundeten wir die dunklen Sträßchen in der Umgebung – die
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