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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street
Autoren: Helene Hanff
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Isabel sind das konventionellste und konservativste Paar, das ich kenne.
    Morgens war es sonnig, und als sie mich abholten, war ich von ihrem Anblick entzückt: Isabel trug Baumwoll-Latzhosen und eine bedruckte Bluse, und Eddie hatte ein Freizeithemd und Drillichhosen an. Es war das erste Mal, dass ich sie in einem Aufzug sah, der nicht förmlich und hochkorrekt war. Da ich um drei ein Interview bei der BBC hatte und nicht wusste, ob ich zwischendurch zum Hotel zurückkommen würde, trug ich meinen weniger eleganten beigefarbenen, leinenen Hosenanzug und hob mich damit geradezu von ihnen ab.
    Sie waren schon öfter in London gewesen und kannten die Sehenswürdigkeiten, deshalb schlenderten wir durch die Einkaufsstraßen. Sie kaufen gern Kuriositäten und gute Drucke und lieben es, Schaufenster anzusehen, und so verbrachten wir den ganzen Morgen damit. Als wir um die Mittagszeit eine Straße entlanggingen, blieb ich plötzlich mit weit aufgerissenen Augen stehen, denn da, direkt vor uns, war Claridge’s.
    Claridge’s ist das Hotel, in dem alle Personen aus den Stücken von Noël Coward zum Lunch gehen. Seit Jahren habe ich glanzvolle Bilder in meinem Kopf von vornehmen Londonern, die in aller Eleganz dem Claridge’s zustreben.
    Eddie fragte mich, was es denn zu sehen gäbe, und ich erklärte es ihm.
    »Wunderbar«, sagte er, »gehen wir ins Claridge’s zum Lunch.«
    Es war eine spontane und großzügige Geste und sehr typisch für ihn. Ich erwartete, dass Isabel sagen würde: »Aber, Eddie, so wie wir angezogen sind!«, doch zu meiner Überraschung tat sie es nicht.
    »Ich glaube, es ist sehr elegant«, sagte ich. »Wir sollten erst nach Hause gehen und uns umziehen.«
    »Sie werden unser Geld schon nehmen«, sagte Eddie trocken – hakte sich bei uns unter und führte uns stolz ins Claridge’s hinein.
    Ich bin von Natur aus ein unordentlicher Mensch. An einem gewöhnlichen Tag zu Hause ist es mir völlig gleichgültig, wie ich aussehe. Aber wir gingen ins CLARIDGE’S! Ich aß Lunch in einem Saal voller Anmut und Eleganz, umgeben von perfekt gekleideten und frisierten Londonern – und saß zwischen zwei glücklichen Menschen aus Texas, die für ein Picknick gekleidet waren und sich wie die Kinder freuten, dass sie mir etwas ganz Besonderes bieten konnten.
    Nach dem Essen begleiteten sie mich zur BBC . Später machten wir noch einen Schaufensterbummel, und gegen sechs waren wir im Theaterviertel. Beim Aldwych standen ein paar Leute vor der Kasse an und hofften auf nicht abgeholte Karten für
Ein Sommernachtstraum.
Eddie sprach mit einem Mann in der Schlange, kam zu uns zurück und sagte:
    »Es gibt immer ein paar Karten, die nicht abgeholt werden. Wenn wir uns jetzt anstellen, können wir um sieben, wenn die Kasse aufmacht, Karten bekommen. Das Stück fängt um halb acht an, und danach könnten wir essen gehen.«
    Ich muss dazu sagen, dass es sich um die Inszenierung von Peter Brook handelte, um die Produktion der National Shakespeare Theatre Company. Ich hätte eine Woche meines Lebens für eine Eintrittskarte gegeben. Ich hatte versucht, für Nora, Sheila und mich über das Hotel Karten zu bestellen, es war das einzige Stück, für das ich keine bekommen konnte, es ist bis zum Ende der Saison ausverkauft. Doch so sehr ich das Stück auch sehen wollte: So, wie wir angezogen waren, hätte ich dieses Theater
niemals
betreten können – in Kleidern, die wir seit dem Morgen anhatten, ohne uns den ganzen Tag auch nur das Gesicht gewaschen zu haben. Eddie und Isabel jedoch, denen es nicht im Traum einfallen würde, so in Houston ins Theater zu gehen, waren bereit, es in London zu tun.
    Das Ganze war für mich ohnehin eine akademische Frage: Ich hätte keine zehn Minuten anstehen können, geschweige denn eine ganze Stunde. Den ganzen Tag hatte ich mit zusammengebissenen Zähnen die Auslagen in den Schaufenstern betrachtet, und um sechs konnte ich einfach nicht mehr. Ich sagte, ich müsse für heute Schluss machen und mich irgendwo hinsetzen, bevor meine Organe aus mir rauspurzelten. Sie sind gute alte Freunde, sie gaben das Unternehmen sofort auf, und wir gingen stattdessen in einen kleinen Pub in einer Seitenstraße und aßen zu Abend.
    Erst als ich nach Hause kam, wurde mir klar, dass wir die Rollen vertauscht hatten. Weil Eddie und Isabel hier im Ausland sind, wo keiner sie kennt, haben sie eine Menge gesellschaftlicher Hemmungen fallen lassen. Weil ich hier im Ausland bin, wo mich keiner kennt, habe ich mir
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